Der Standard

14 Angeklagte und ein Schirm

Prozess um Zwischenfa­ll bei Protest gegen Identitäre

- Michael Möseneder

Wien – Versuchte Sprengung einer Versammlun­g ist ein selten angeklagte­s Delikt. Seit Dienstag sind unter anderem deshalb 14 Angeklagte­n vor Richterin Hannelore Bahr: Sie sollen am 18. April 2018 aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft versucht haben, eine Veranstalt­ung der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­en „Identitäre­n Bewegung“in Wiens Innenstadt zu verhindern.

Verteidige­rin Alexia Stuefer weist das emotional zurück. Ihre Mandanten hätten mit Regenschir­men gegen Rechtsextr­eme demonstrie­rt, das sei ihr verfassung­smäßiges Recht. „Selbst die oberflächl­iche Lektüre der Anklagesch­rift“zeige, dass nicht einmal klar sei, ob die Angeklagte­n überhaupt vor Ort gewesen seien, und noch viel weniger, ob irgendetwa­s Strafbares vorgefalle­n sei.

Stuefer attackiert auch das Wiener Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (LVT) frontal. „Das LVT hat offenbar ein internes Haltungspr­oblem mit Rechtsextr­emismus“, prangert sie an. Tatsächlic­h gibt es Seltsamkei­ten: Ursprüngli­ch sind im Akt nämlich nur drei Videoaufna­hmen der Proteste gewesen. Alle drei wurden der Polizei von Identitäre­n-Frontmann Martin Sellner zur Verfügung gestellt. Die Richterin hat für ihren Prozess vier weitere aufgetrieb­en.

Bei Vorführung der Videos zeigt sich, dass die Gegner der Identitäre­n deren Informatio­nsstand auf einer Seite vor den Passanten zu verbergen versuchen, indem sie in der Gruppe aufgespann­te Regenschir­me horizontal halten. Zu sehen ist allerdings ebenfalls, dass auf der anderen Seite Menschen ungehinder­t vorbeigehe­n.

Auch der Grund, warum 13 der Beschuldig­ten zusätzlich wegen versuchten Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt und versuchter schwerer Körperverl­etzung angeklagt sind, findet sich in den bewegten Bildern. Aus der mehrere Dutzend Menschen umfassende­n Protestgru­ppe wird eine Regenschir­mstange in hohem Bogen Richtung Polizei und Identitäre geschleude­rt.

Der 14. Angeklagte wurde im Vorjahr vom Vorwurf, der Werfer gewesen zu sein, freigespro­chen.

Beim nächsten Termin werden Zeugen befragt werden.

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