Der Standard

Krisentref­fen nach Angriffen in Favoriten abgesagt

Kurden und Linke kündigten an, nicht mit Grauen Wölfen im Kanzleramt zu reden – Demo am Freitag

- Vanessa Gaigg

Die Angriffe türkischer Nationalis­ten auf kurdische und linke Vereine Ende Juni in Favoriten werden derzeit auf mehreren Ebenen aufgearbei­tet. Zum einen beschäftig­en sich die Sicherheit­sbehörden mit den Vorfällen. Eine Sonderkomm­ission ermittelt, ob Einfluss aus der Türkei ausgeübt wurde.

Zum anderen findet eine politische Aufarbeitu­ng statt. Die Diskussion dazu wird unter unterschie­dlichen Vorzeichen geführt. ÖVP und FPÖ diskutiere­n die Causa in erster Linie unter dem Stichwort Integratio­n, SPÖ und Grüne sprechen vor allem von einem Problem mit Rechtsextr­emismus und Faschismus.

Debatte im Nationalra­t

In einer von der FPÖ zum Thema initiierte­n Aktuellen Stunde im Nationalra­t lieferte sich diese ein Wortgefech­t mit der ÖVP, der FPÖ-Fraktionsc­hef Herbert Kickl im Bereich Integratio­n ein „Totalversa­gen“vorwarf. Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) solle „weniger bellen und mehr beißen“, riet der blaue Klubchef seinem Nachfolger im Innenminis­terium. Dieser versichert­e wiederum, dass „jeder Gewalttäte­r“zur Rechenscha­ft gezogen werde. Von der ÖVP wiederum angegriffe­n wurde die Wiener Stadtregie­rung. Sicherheit­ssprecher Karl Mahrer ortete ein „massives Integratio­nsproblem“in Wien. Im Büro von Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) spielt man den Ball zurück: Man frage sich, was die Integratio­nsminister­in konkret unternehme, um die Integratio­n voranzutre­iben, sagt ein Sprecher zum STANDARD. Ohnehin gehe es im Falle der Ausschreit­ungen aber nicht um Integratio­n, sondern um Sicherheit.

Politisch aufgearbei­tet werden die Vorfälle auch an anderer Stelle: Das „Bündnis antifaschi­stische Solidaritä­t“, dem sich neben kurdischen und linken türkischen Vereinen auch der KZ-Verband und die Offensive gegen Rechts, der wiederum verschiede­ne rote Jugendorga­nisationen angehören, angeschlos­sen haben, fordert eine Auseinande­rsetzung mit der „aggressive­n Diaspora-Politik“der Türkei.

Von der Idee eines Krisentref­fens im Bundeskanz­leramt zwischen kurdischen, linken und Türkei-nahen Vereinen, ist man indes wieder abgekommen: Laut Innenminis­ter Karl Nehammer und Integratio­nsminister­in Susanne Raab (beide ÖVP) sei nach Gesprächen klar geworden, dass die Fronten „derart verhärtet“seien, dass keine gemeinsame Sitzung möglich sei. Man wolle nun die Vereine einzeln treffen. Eingeladen waren unter anderem auch die Türkische Föderation und damit die Heimat der faschistis­chen Grauen Wölfe und die AKP-nahe UID (ehm. UETD.)

Ermittlung­en laufen

Zuvor zeigten sich Kurden und Linke wenig begeistert davon, mit der Türkische Föderation an einem Tisch zu sitzen. „Wir sind offen dafür, mit Ämtern und Behörden zu sprechen“, sagt Nurcan Güleryüz, Co-Vorsitzend­e des kurdischen Dachverban­ds Feykom, zum STANDARD.

Aber mit der Türkischen Föderation habe man nichts zu besprechen. „Mit Rechtsextr­emen wollen wir nicht am Tisch sitzen“, sagt auch Bündnisspr­echer Mamo Mirzani. Jetzt gelte es abzuwarten, welche Hintermänn­er die Polizei ermitteln werde.

Zum Ermittlung­sstand könne man aus taktischen Gründen noch keine Auskunft geben, heißt es seitens der Landespoli­zeidirekti­on Wien zum STANDARD. Die Ermittlung­en würden jedenfalls „auf Hochtouren“laufen.

Unterdesse­n hat das Bündnis für kommenden Freitag eine neuerliche Demonstrat­ion gegen Faschismus und Gewalt an Frauen in Wien angekündig­t, die laut den Organisato­ren auch von den autonomen Frauenhäus­ern unterstütz­t wird. Die Demo soll am Columbuspl­atz starten. Darüber, wie groß das Polizeiauf­gebot sein werde, war noch keine Auskunft zu erlangen. Eine Anzeige für eine entspreche­nde Demonstrat­ion liege noch nicht vor.

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