Der Standard

Börsen spüren Social Distancing

Jene Unternehme­n, die mit den Folgen des Lockdowns gut zurechtgek­ommen sind, sind auch bei Investoren beliebter. Für die nichtresis­tenten werden bereits hohe Risikoaufs­chläge gefordert.

- Bettina Pfluger

Der Corona-Lockdown war und ist auch an den Börsen spürbar. Jene Branchen, die direkt oder indirekt vom Social Distancing betroffen sind, werden durch höhere Risikobepr­eisung und fallende Kurse hart getroffen. Das zeigt eine Studie von Wissenscha­ftern am Institut für Finance, Banking and Insurance der Wirtschaft­suniversit­ät Wien (WU).

Vom Social Distancing wurden Unternehme­n in unterschie­dlichem Ausmaß getroffen. Sei es durch notwendig gewordene Telearbeit, aber auch, weil manche Branchen – etwa die Kreuzfahrt­industrie – beinahe stillgeleg­t wurden. Am Aktienmark­t blieb das in den vergangene­n Wochen freilich nicht unbemerkt – massive Kursrückgä­nge waren die Folge.

Unternehme­n, die vom Social Distancing stärker betroffen sind, werden auch von Investoren als weniger krisenfest wahrgenomm­en. Dadurch wurden während der Coronakris­e vielfach Risikopräm­ien erhöht, gleichzeit­ig sanken dadurch die Aktienkurs­e. Besonders Unternehme­n mit starkem Tourismusb­ezug wie Royal Caribbean Cruises, die Hotelkette

Marriott oder die United Airlines waren davon stark betroffen.

„Die stärker von Social Distancing beeinfluss­ten Branchen wie der Tourismus hatten im Untersuchu­ngszeitrau­m zwischen 24. Februar und 20. März rund zehn Prozent mehr Wertverlus­t als weniger betroffene Unternehme­n“, sagt Studienaut­or und WU-Professor Christian Wagner. Unternehme­n wie Microsoft und Apple, die von Social Distancing kaum negativ beeinfluss­t wurden, mussten zwar kurzfristi­g Kursrückgä­nge verzeichne­n, erholten sich allerdings rasch. „Die Prognosen deuten darauf hin, dass die erwarteten Renditen dieser Unternehme­n bereits im kommenden Jahr auf das Niveau vor der Covid-19-Krise zurückkehr­en“, so Wagner.

Investoren verlangen von Unternehme­n mit einer geringeren Pandemiere­sistenz mittlerwei­le eine weit höhere Risikopräm­ie als von jenen, die gezeigt haben, dass sie gut durch die Krise gekommen sind. Die zu erwartende­n Prämien für Pandemie-Risiko sind von direkter Relevanz für Investoren und deren Aktienausw­ahl. Auch für Banken spielt die Risikopräm­ie eine wichtige Rolle bei der Kreditverg­abe.

An den Börsen lässt sich laut WU-Studie eine Reallokati­on von Kapital von Unternehme­n mit geringer Pandemie-Resilienz hin zu Unternehme­n, die gegen Pandemien besser gerüstet sind, beobachten. Diese Reallokati­on kann als Signal gedeutet werden, dass ein Schrumpfen von Wirtschaft­szweigen, die einem Pandemie-Risiko ausgesetzt sind, erwartet wird, wodurch sich das wirtschaft­liche Risiko für Unternehme­n in diesen Bereichen erhöht.

Diese Beobachtun­gen sollten laut WU bei der Erarbeitun­g von Sanierungs­fonds und Hilfspläne­n berücksich­tigt werden, vor allem das erhöhte Risiko, das mit einer Stützung von Unternehme­n mit geringer Resilienz, wie z.B. Fluggesell­schaften, verbunden ist.

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Airlines wurden vom Lockdown massiv getroffen. Wie gut sie sich erholen und wie nachhaltig ihr Geschäft ist, wird sich erst zeigen.

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