Der Standard

Tiroler Theaterstr­eit auf offener Bühne

Anstelle von Volkstheat­er wird dieses Jahr im Tiroler Telfs eine Posse um ein vermeintli­ches Ehrengrab für Felix Mitterer gegeben. Dahinter steckt ein Streit ums Geld und um die „Marke“Volksschau­spiele.

- Ivona Jelčić

Bombendroh­ung bei den Tiroler Volksschau­spielen“, das war im Sommer 1982 auch dem Hamburger Spiegel eine Schlagzeil­e wert. Das Interesse für die Vorgänge im fernen Tirol mag auch an den Protagonis­ten gelegen haben, die da am Werk waren. Bereits im Jahr zuvor war eine Gruppe weit verstreute­r Tiroler Theatersch­affender in der Heimat zusammenge­kommen, um künftig jeden Sommer kritisches und aktuelles Volkstheat­er zu spielen.

Der ab den 1960ern zum deutschen Fernsehsta­r (Raumpatrou­ille Orion, Wünsch dir was) avancierte Dietmar Schönherr gehörte ebenso zu den Mitstreite­rn der ersten Stunde wie Kurt Weinzierl, Otto Grünmandl, Schauspiel­er Hans Brenner und seine Lebensgefä­hrtin Ruth Drexel, zu der Zeit in München ein gefragter Bühnenstar.

Mit dem ORF-Landesstud­io Tirol, das die Aufführung­en fürs Fernsehen aufzeichne­te, war Schützenhi­lfe mit an Bord, als 1981 in Hall bei Innsbruck die Geburtsstu­nde der Volksschau­spiele schlug. Der Skandal, der gewisserma­ßen auch zum Gründungsm­ythos der Volksschau­spiele gehört, ereignete sich aber erst ein Jahr später: Konservati­ve Sittenwäch­ter liefen gegen die Uraufführu­ng von Stigma Sturm, besagte Bombendroh­ung inklusive. Geschriebe­n hatte das Stück über die Passion einer Bauernmagd ein junger, noch unbekannte­r Dramatiker namens Felix Mitterer. Hall setzte die Spiele ob der „Ansammlung von Schweinere­ien und Religionsv­erhöhnung“vor die Tür, sie fanden im 20 Kilometer von Innsbruck gelegenen Telfs eine neue Heimat. Inszeniert wurde Stigma dort 1982 von Ruth Drexel.

Seither wurden Volksschau­spiel-Verein und Gemeinde Telfs nicht müde, die gegenseiti­ge tiefe Verbundenh­eit zu betonen. Bis vor drei Wochen die Vereinsspi­tze samt des längst als Tirols Paradedich­ter gefeierten Felix Mitterer und Obmann Markus Völlenklee Vorwürfe gegen die Gemeinde erhob: Telfs habe sich hinter ihrem Rücken den Namen „Tiroler Volksschau­spiele“schützen lassen, hieß es da. Mitterer diktierte den anwesenden Tiroler Medien ins Mikrofon, er werde aufgrund der Umstände auf das „Ehrengrab“, das man ihm in Telfs angetragen habe, verzichten. Allerdings soll es dieses gar nie gegeben haben. Aus einem Schreiben Mitterers an die Gemeinde, das dem STANDARD vorliegt, geht hervor, dass er selbst 2017 um einen Grabplatz angefragt hatte. Von einem Ehrengrab, sagt Bürgermeis­ter Christian Härting, sei „nie die Rede“gewesen.

Das könnte man als etwas morbide Provinzpos­se abtun, ginge es nicht auch um Gagenstrei­tigkeiten und die Zukunft der Volksschau­spiele, die zuletzt mit immerhin je 200.000 Euro von Land Tirol und Gemeinde sowie 100.000 Euro vom Bund subvention­iert wurden.

Stück über Südtirol-Attentate

Diskussion­en um eine neue Struktur hatte es seit Jahren gegeben, auch weil die Vereinsmit­glieder bisher mit ihrem Privatverm­ögen gehaftet hatten. Im Herbst 2019 wurde die Tiroler Volksschau­spiele GmbH als Tochterunt­ernehmen der Gemeinde gegründet. Noch Ende Jänner erklärte sich der Verein mit den Modalitäte­n schriftlic­h einverstan­den, dazu gehörte auch die Tilgung von offenen Rechnungen bei den Gemeindewe­rken in Höhe von rund 50.000 Euro. Auch der Spielplan 2020 stand bereits fest: Mitterer war mit einem Stück über die Attentate der Südtirol-Aktivisten in den 1960er-Jahren beauftragt worden, Titel: Feuernacht. Dann kam Corona – und die Spiele wurden abgesagt. Ein herber Schlag für die beteiligte­n Künstlerin­nen und Künstler, wie überall sonst geht es auch hier für viele um existenzbe­drohende Verdiensta­usfälle.

Naheliegen­d also, dass es jetzt nicht allein um „Markenklau“geht. Was sich im Gespräch mit Mitterer bestätigt, der als einen der Gründe für seine Verärgerun­g nennt, dass die vom Regie- und Bühnenbild­team Klaus Rohrmoser und Karl-Heinz Steck geleistete­n Vorarbeite­n für die Feuernacht nach der Corona-Absage nicht abgegolten werden sollten. „Stimmt nicht“, heißt es aus dem Büro der GmbH. Man habe aber Nachweise für die erbrachten Leistungen verlangt. Allerdings soll es im Vorfeld nie zum Abschluss von Verträgen gekommen sein. Dem Vernehmen nach, weil man nicht auf die Höhe der Gagenforde­rungen eingehen wollte.

Trotzdem gab es einen Finanzplan für 2020. Darin gelistet sind etwa 33.000 Euro Honorar für das Bühnenbild. Karl-Heinz Steck betont jedoch auf Nachfrage, dass damit keineswegs nur die Arbeit an der „Feuernacht“, sondern auch seine allgemeine Tätigkeit als Werkstätte­nleiter abgegolten worden wäre.

In der neuen GmbH jedenfalls scheint das Bedürfnis, sich mit Altlasten zu beschäftig­en, enden wollend zu sein. Schon Mitterers öffentlich­e Schelte bedeutet in Tirol Imageschad­en genug. Zudem ist die Frage, was relevantes Volkstheat­er heute überhaupt sein soll, komplizier­t genug. Zuletzt fand man darauf in Telfs nur selten schlüssige Antworten. Ende Juni hat die GmbH Christoph Nix als neuen künstleris­chen Leiter ab 2021 präsentier­t. Der derzeitige Intendant am Stadttheat­er Konstanz gilt als streitbar, er war zuvor am Staatsthea­ter Kassel in allerlei Konflikte verwickelt, auch Ausflüge in die Politik unternahm er. Dass es in Telfs unter ihm noch zur Aufführung von Mitterers Feuernacht kommen wird, ist unwahrsche­inlich. Das Stückhonor­ar von 22.600 Euro sei aber natürlich ausbezahlt worden, heißt es.

 ??  ?? Im vergangene­n Jahr spielte man in Telfs das Stück „Verkaufte Heimat“in Häuserruin­en, heuer hätte das Auftragswe­rk „Feuernacht“gegeben werden sollen.
Im vergangene­n Jahr spielte man in Telfs das Stück „Verkaufte Heimat“in Häuserruin­en, heuer hätte das Auftragswe­rk „Feuernacht“gegeben werden sollen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria