Der Standard

Kurzsichti­g und gedankenlo­s

- Gianluca Wallisch

Für viele ausländisc­he Studierend­e war das, was die US-Administra­tion zu Wochenbegi­nn verlauten ließ, eine Hiobsbotsc­haft: Wer von ihnen an einer Hochschule eingeschri­eben ist, die wegen der Corona-Pandemie künftig nur Online-Kurse anbietet, muss das Land verlassen. US-Präsident Donald Trump hat nun also auch in der Bildungspo­litik einen Hebel für seine kurzsichti­ge „America First“-Politik gefunden. Es ist eben Wahlkampf – und da ist dem zuletzt stark unter Druck Geratenen jedes Mittel recht, um seine Anhängersc­haft bei Laune zu halten.

Doch auf diese Weise beschädigt der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika mutwillig – und wohl auch ziemlich gedankenlo­s – eine über viele Jahrzehnte mühsam aufgebaute und immens wichtige Errungensc­haft seiner Nation: die weltweite Führungsro­lle im universitä­ren Bildungsbe­reich.

Sollte Trump glauben, dass die USA diese Spitzenpos­ition auch ohne ausländisc­he Studierend­e und Forschende halten können, so irrt er: Das US-Hochschuls­ystem ist nicht nur intellektu­ell, sondern auch finanziell abhängig von den zuletzt 1,1 Millionen ausländisc­hen Studierend­en. Sie sind zumeist „Vollzahler“und machen fast sechs Prozent der Studentens­chaft aus – und sie kofinanzie­ren nicht zuletzt auch die Stipendien vieler US-Studenten. Den Schaden für das US-Bildungssy­stem werden nach Trump andere beheben müssen. Ihn selbst wird das kaum kümmern.

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