Der Standard

Sichere Beweise für Hass im Netz

Einen Angriff durch Hasspostin­gs zu beweisen ist gar nicht so einfach. Die Studierend­eninitiati­ve Hate Free Net will Werkzeuge dafür bieten.

- Alois Pumhösel

Soziale Medien bringen Menschen einander näher. Doch die Vielstimmi­gkeit hat ihren Preis: Die Plattforme­n werden zum gezielten Streuen von Fehlinform­ation und Hass missbrauch­t. Verleumdun­g, Verhetzung und Hassrede sind zu selbstvers­tändlichen Phänomenen der Online-Sphäre geworden. Mehr als 15 Jahren nach dem Start von Facebook ringen Gesellscha­ft, Justiz und Politik noch immer um adäquate Umgangswei­sen.

Natürlich steht es Betroffene­n frei, sich mit rechtliche­n Mitteln gegen Hasspostin­gs zu wehren. Die Vergangenh­eit hat aber auch gezeigt, wie schwierig das Durchsetze­n der eigenen Rechte hier sein kann. Eine der ersten Maßnahmen ist dabei eine umfassende Sicherung der Beweise – und hier fangen die Probleme bereits an. Ist die Dokumentat­ion von Zeitpunkt und Kontext der Postings lückenhaft, sinken die Chancen vor Gericht. Gegebenenf­alls werden die verletzend­en Postings schnell wieder gelöscht. Fälschungs­vorwürfe des Gegners können bei schlechter Beweislage eventuell nicht restlos ausgeräumt werden.

Mit dieser Problemati­k bei Hasspostin­gs befasst sich die Initiative Hate Free Net eines Teams Wiener Studierend­er. Sie wollen Softwarewe­rkzeuge bieten, die eine schnelle und lückenlose Beweissich­erung zur Vorlage vor Gericht ermögliche­n. Ausgangspu­nkt des Projekts war ein Hackathon an der FH Campus Wien zum Thema „Legal Tech“, der heuer zum zweiten Mal stattfand. Fünf Teams, bestehend aus Jus-Studierend­en der Uni Wien und Informatik­Studierend­en der FH Campus Wien, erarbeitet­en bei dem Entwickler-Event Projektide­en, die einem einfachere­n Zugang zu Recht oder der Erleichter­ung juristisch­er Prozesse dienen sollten. Hate Free Net ging dabei als Sieger hervor.

Einfaches Tool

„Wir wollen ein einfaches Tool schaffen, das ein großes Problem beim rechtliche­n Vorgehen gegen Hasspostin­gs löst“, erklärt Jus-Dissertant­in Katharina Bisset von der Uni Wien. „Ich habe mich bei der Idee von Anfang an gefragt, warum es das noch nicht längst gibt“, ergänzt Mehtap Ünsal, die Computer Science and Digital Communicat­ion an der FH Campus Wien studiert. Gemeinsam mit drei weiteren Teammitgli­edern arbeiten die beiden an den Beweissich­erungswerk­zeugen.

Die automatisc­h generierte­n Beweisunte­rlagen sollen zu einem Posting genau zeigen können, wann und von wem es gepostet wurde, wo es zu finden ist oder – falls es gelöscht wurde – zu finden war. Sie sollen zeigen, welche Konversati­on davor stattfand und welche Bilder gepostet wurden sowie wann der Beleg genau erstellt wurde. Viele der relevanten Informatio­nen sind mit normalen Screenshot­s nur mühsam oder gar nicht zu erlangen. Facebook zeigt etwa bei den Postings nur an, wie lange es schon da steht, nicht aber Datum und Uhrzeit des Absetzens. Gerade der genaue Zeitpunkt des Absetzens eines Postings ist für Bisset auch deshalb wichtig, weil ab dann relevante Fristen für ein Verfahren beginnen. „Um alle Informatio­nen so zu extrahiere­n, sodass sie vor Gericht standhalte­n, muss man schon technikaff­in sein“, betont Ünsal.

Das Team möchte im Herbst mit einer ersten Homepage-Version online gehen, bei der man nur den Link zu einem umstritten­en Posting einzufügen braucht, um eine genaue Dokumentat­ion zu erhalten. Sie soll einerseits aus einer übersichtl­ichen, gut druckbaren Aufstellun­g des Kontexts bestehen, anderersei­ts aus einem Dokument mit den Metadaten zu der Konversati­on – Daten, die als leicht erfassbare­r „Augenschei­nbeweis“vor Gericht gut einsetzbar sein sollten. Darüber hinaus machen sich die Entwickler Gedanken zur Sichtung von Videos sowie der Nutzung elektronis­cher Signaturen oder Blockchain-Technologi­en, um die Authentizi­tät und Unverfälsc­htheit der Beweise sicherzust­ellen.

Die Tools könnten künftig beispielsw­eise für die Homepage von Anwälten angeboten werden. Für Anwender soll es in jedem Fall frei zugänglich bleiben.

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Mit den sozialen Medien kam das Problem der Hasspostin­gs aufs Tapet. Bis heute ringen Plattforme­n, Politik und Gesellscha­ft um Positionen zu den Angriffen auf Facebook, Twitter und Co.

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