Kritik an Kelag-Tochter
60 Nichtregierungsorganisationen in Südosteuropa kritisieren das Vorgehen eines Tochterunternehmens der Kärntner Kelag im Kosovo, weil Wasserkraftwerke einen Fluss in einem Naturpark im Kosovo austrocknen.
Umweltschützer kritisieren Wasserkraftwerke einer Tochterfirma der Kärntner Kelag im Kosovo.
Immer wenn Shpresa Loshaj mit dem Fahrrad hinauf in die Wälder fährt, an einem der schönsten Klöster Europas namens Deçan vorbei, dann sieht sie das fast karge Flussbett des Lumbardhi, in dem oft nurmehr wenig oder gar kein Wasser fließt. Sie ist zornig, weil die Tiere im Fluss und die Pflanzen rundherum sterben. Sie ist wütend, wenn sie mit den Bauern redet, die kein Wasser mehr für die Pflanzen haben. Frau Loshaj hat deshalb nun einen offenen Brief an das österreichische Außenministerium verfasst. Ein Tochterunternehmen des Kärntner Energiedienstleisters Kelag, die Kelkos, hat nämlich hier im Kosovo ab dem Jahr 2014 drei Wasserkraftwerke gebaut.
Natürlich gibt es auch im Kosovo strenge Auflagen, wenn es um Umweltschutz geht, so muss nach der Fertigstellung eines Wasserkraftwerks eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden. Der Fluss Lumbhardi fließt durch einen geschützten Nationalpark. Die Wälder sind hier wild und dicht bis in die Höhen, der Nationalpark wird „Verwunschene Berge des Kosovos“genannt.
Wie ein Jagdgrund
Die NGO Pishtaret (Fackeln) von Loshaj, die dabei von 60 Nichtregierungsorganisationen in Südosteuropa unterstützt wird, kritisiert in dem offenen Brief, dass „Kelkos unser Land wie einen Jagdgrund behandelt“. Weiter heißt es: „Es ist anzunehmen, dass das Ausmaß der verursachten Zerstörung fast das gesamte Leben im Fluss und entlang des Flusses getötet und für Tausende von Bürgern in den darunterliegenden Dörfern Störungen bei der Wasserversorgung verursacht hat.“Loshaj verweist darauf, dass die Umweltgenehmigungen für alle drei Kraftwerke von Kelkos fehlen.
Auf Anfrage des STANDARD, bestätigt das kosovarische Energieregulierungsamt (ERO), dass Kelkos im September 2019 den Antrag dafür eingereicht habe, die Genehmigungen durch das Umweltministerium aber noch nicht ausgestellt wurden. ERO habe aber eine vorübergehende Lizenz für ein Jahr für alle drei Kraftwerke erteilt. Loshaj moniert, dass es laut dem Gesetz gar nicht möglich ist, vorübergehende Lizenzen auszustellen. „Weshalb steht Kelkos über dem kosovarischen Gesetz?“, fragt sie in dem Brief.
Tatsächlich steht im Artikel 31 des Umweltschutzgesetzes, dass ein Kraftwerk nicht ohne Umweltgenehmigung in Betrieb gehen soll. Loshaj hat gehört, dass Kelkos nur deshalb die vorübergehenden Lizenzen ohne die Umweltgenehmigung bekommen habe, weil Druck seitens österreichischer Diplomaten erfolgt sei, erzählt sie dem STANDARD.
Rechtsstaatlichkeit
Deshalb fordert sie das Außenamt in Wien auf, „nachdrücklich zu bekräftigen, dass die österreichische Regierung keine österreichischen Investoren unterstützt, die die Umwelt des Kosovo schädigen und vor allem die Rechtsstaatlichkeit untergraben“.
Ein Sprecher des Außenministeriums meint dazu zum STANDARD: „Die österreichische Botschaft setzt sich selbstverständlich für österreichische Unternehmen ein, die im Kosovo investieren und einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leisten.
Ebenso selbstverständlich ist, dass diese Unterstützung der Botschaft ausschließlich im Rahmen der kosovarischen Gesetze erfolgt.“
Der Direktor für Wasserschutz im kosovarischen Ministerium für Wirtschaft und Umwelt, Muhamet Malsiu, bestätigt dem STANDARD, dass sich die drei Kraftwerke von Kelkos in einem Schutzgebiet befinden, dass Kelkos noch keine Umweltgenehmigung erhalten hat und die Umweltverträglichkeitsprüfung von unabhängigen Experten erstellt werde.
Klage gegen NGO
Doch bei der Frage der Kraftwerke geht es nicht mehr nur um Gesetze. Denn Kelkos hat bereits vor der Veröffentlichung des offenen Briefs eine Klage gegen Loshajs NGO angedroht, die nun vorliegt. Josef Stocker von der Kelag meint dazu auf Nachfrage des STANDARD: „Wir bitten Sie um Ihr Verständnis, dass wir uns zu laufenden Gerichtsverfahren einer Konzerntochter nicht äußern dürfen/können. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich unser Unternehmen sachlicher Kritik niemals verschließt, wir aber fallweise mit den nötigen rechtlichen Mitteln gegen Verleumdungen und falsche Anschuldigungen vorgehen müssen.“
Loshaj sieht die Klage als einen Versuch, die Umweltaktivisten einzuschüchtern. Indes hat sich Widerstand in der Bevölkerung gegen die Wasserkraftwerke gebildet. Im Vorjahr protestierten kosovarische Serben und Albaner gemeinsam gegen den Bau eines anderen Wasserkraftwerks in Štrpce im Kosovo. Ein weiteres geplantes Kraftwerk in Peja wurde durch Demonstrationen von tausenden Bürgern bereits gestoppt.
Andernorts auf dem Balkan hat man bereits einen gesetzlichen Riegel vorgeschoben. So dürfen im Landesteil Föderation in Bosnien-Herzegowina keine Kleinkraftwerke an Flüssen mehr gebaut werden.