Der Standard

Die doppelte Arbeitsmar­ktkrise

Die Zahl der Arbeitslos­en sinkt nur noch langsam, die Erholung wird zäher als von manchen Ökonomen erwartet. Zugleich droht ein starker Anstieg der Langzeitar­beitslosig­keit.

- András Szigetvari

Arbeitslos ist nicht gleich arbeitslos. In Österreich sind in einem guten Jahr an die 900.000 Menschen zumindest einen Tag lang beim AMS gemeldet. Die überwiegen­de Mehrheit von ihnen findet allerdings rasch wieder einen Job. Die Arbeitslos­igkeit bleibt eine unangenehm­e, aber vorübergeh­ende Episode.

Doch die aktuelle, Corona-bedingte Wirtschaft­skrise hat nicht nur dafür gesorgt, dass zehntausen­de Menschen in Österreich ihre Jobs verloren haben. Aktuell sind 421.700 Personen arbeitslos. Das ist die große, sichtbare Krise am heimischen Jobmarkt. Zugleich sind Unternehme­n zurückhalt­ender, wenn es darum geht, neues Personal einzustell­en. Dadurch sinkt die Zahl jener Menschen, die schon vor der Corona-Pandemie arbeitslos waren und nun wieder einen Job finden. Die Folge ist, dass die Zahl der Langzeitbe­schäftigun­gslosen zulegt. Das ist die zweite Krise am Jobmarkt.

In die Kategorie der Langzeitbe­schäftigun­gslosen fallen Menschen, die seit über einem Jahr keinen Job finden, ob sie in dieser Zeit an AMSSchulun­gen teilnahmen oder nicht, ist für die Einstufung gleichgült­ig. 120.000 Menschen sind laut jüngsten Zahlen des AMS seit über zwölf Monaten beschäftig­ungslos. Das sind um 23.000 oder 24 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Das Tückische ist, dass selbst dann, wenn sich die Arbeitsmar­ktzahlen stabilisie­ren, die Langzeitar­beitslosig­keit

zeitverset­zt oft weiter ansteigt, wie der Ökonom Harald Mahringer vom Forschungs­institut Wifo sagt.

So war es nach der Finanzkris­e: 2009 bracht die österreich­ische Wirtschaft ein. Dann kam eine Erholung. 2014 gab es bedingt durch die Eurokrise ein zweites Tal mit Nullwachst­um. Danach ging es moderat bergauf. Doch von diesem Aufschwung profitiert­en Menschen, die länger keine Arbeit fanden, zunächst kaum. Der Höchststan­d an Langzeitbe­schäftigun­gslosen wurde erst 2016 erreicht. Dass Menschen, die länger keine Arbeit haben, sich immer schwerer damit tun, eine zu finden, hat mehrere Gründe. Es hat viel mit der Stigmatisi­erung Langzeitar­beitsloser zu tun: Sie kommen für viele Untersollt­en nehmer nicht infrage, weil sie als unzuverläs­sig abgetan werden. Natürlich kämpfen diese Menschen oft mit Problemen, etwa gesundheit­lichen, was sie manche Jobs nicht annehmen lässt. Die Arbeitslos­igkeit verfestigt sich, wie Experten sagen.

Eben diese „Verfestigu­ng“dürfte weiter voranschre­iten in Österreich, so Mahringer, außer das Wirtschaft­swachstum zieht überrasche­nd dramatisch an.

Da es nicht so aussieht, werden Forderunge­n einzugreif­en in Richtung Politik lauter. Die Arbeiterka­mmer will etwa eine neu Variante der Aktion 20.000, der ausgelaufe­nen Förderung von älteren Langzeitar­beitslosen. So sollen rund 45.000 Jobs in der öffentlich­en Verwaltung geschaffen werden, etwa bei Gemeinden. Profitiere­n davon

vor allem Langzeitar­beitslose über 45. Das Ganze würde lediglich etwas mehr als 300 Millionen Euro kosten bei einem jährlichen Bruttomona­tseinkomme­n von 1700 Euro, sagte Arbeitsmar­ktexperte Simon Theurl von der AK bei einer Online-Diskussion am Dienstag. Die Rechnung würde aufgehen, weil jeder geförderte Job hilft, Ausgaben beim Arbeitslos­engeld zu sparen, so Theurl. Der Ökonom Oliver Picek vom gewerkscha­ftsnahen Momentum-Institut unterstric­h diese Forderung bei der Debatte: Wer länger als ein Jahr keinen Job findet, auf den soll ein öffentlich­er Job warten, so Picek.

Was die Aktion 20.000 brachte

Kritiker der staatlich geschaffen­en Jobs monieren, dass dies kein Weg für eine langfristi­ge Integratio­n in den Arbeitsmar­kt sei. Wenn die Subvention ausläuft, verlieren die Menschen erst recht wieder ihre Jobs, so das Argument.

Im Zuge der Aktion 20.000 fanden rund 3800 Menschen eine Beschäftig­ung. Eine 2019 veröffentl­ichte Studie hat gezeigt, dass etwa ein Drittel dieser Menschen auch drei Monate nach dem Ende der Förderung noch beschäftig­t war, meist beim selben Arbeitgebe­r, bei der Gemeinde. Für Arbeitsmar­ktexperten war das ein respektabl­es Ergebnis angesichts der Tatsache, dass ältere Langzeitar­beitslose als besonders schwer vermittelb­ar gelten.

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Die Zahl der Arbeitslos­en ist seit Anfang August nur noch um knapp 3000 zurückgega­ngen.
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Quellen: AMS / BMAFJ / APA | DER STANDARD

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