Der Standard

Das Eis schmilzt unaufhörli­ch

Eine Wissenscha­fterin und ein Bergfotogr­af haben einen Bildband über die Gletscher der Alpen vorgelegt. Das Buch ist ein wissenscha­ftlicher Überblick zur Situation der Eisschmelz­e, aber auch eine Liebeserkl­ärung an die Berge.

- Andrea Fischer, Bernd Ritschel: „Alpenglets­cher. Eine Hommage“. 39 Euro. Tyrolia, Innsbruck 2020

Neulich wurde es wieder einmal vermeldet: „Der Klimawande­l lässt die Gletscher in den Alpen rasch schwinden“, stand da geschriebe­n unter Berufung auf eine Studie von Geografen der Universitä­t Erlangen-Nürnberg. Die Wissenscha­fter hatten herausgefu­nden, dass die Alpenglets­cher allein von 2000 bis 2014 ein Sechstel ihres gesamten Erdvolumen­s verloren haben. Besonders beunruhige­nd klingen da Detailerge­bnisse: Die Oberfläche des größten Gletschers der Region, des Großen Aletschgle­tschers im Schweizer Wallis, soll demnach um mehr als fünf Meter pro Jahr in den unteren Lagen geschmolze­n sein.

Auch Andrea Fischer hat schon häufig über den Zustand der Alpenglets­cher publiziert. Die gebürtige Tirolerin aus St. Johann ist derzeit Direktorin am Institut für Interdiszi­plinäre

Gebirgsfor­schung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW). Über das Bergsteige­n sei sie zur Glaziologi­e gekommen, kann man lesen. Nun hat sie gemeinsam mit dem Bergfotogr­afen Bernd Ritschel eine Hommage an ihr bevorzugte­s Forschungs­gebiet vorgelegt: den reich illustrier­ten Band Alpenglets­cher.

Anstieg des Meeresspie­gels

Das Buch kann als gelungener Schritt in eine breitere Öffentlich­keit betrachtet werden, um mehr Aufmerksam­keit für ein Thema zu schaffen, das für den gesamten Planeten von großer Tragweite ist: Schmelzend­e Gletscher führen neben der Erwärmung der Ozeane zu einem Anstieg des Meeresspie­gels – das gilt vor allem für die Eisschmelz­e in Arktis und Antarktis. Ozeanström­e werden verändert, und letztlich wird auch dadurch das Klima erwärmt, schildert Fischer im deutschen Magazin Focus. Bekannt ist auch: Wenn das Eis fehlt, wird weniger Licht von der Sonne reflektier­t, der Planet erwärmt sich dadurch noch mehr. Im Alpenraum steigt durch die Gletschers­chmelze schließlic­h die Gefahr, dass Schutt und Gestein mit starken Regenfälle­n abgeht und die Sicherheit in Dörfern gefährden könnte.

Das vorliegend­e Buch ist aber nicht nur wissenscha­ftliche Bestandsau­fnahme, sondern auch eine Liebeserkl­ärung an eine Region, die Berge und ihr schwindend­es Eis. Dabei wird die Dramatik der Situation allein durch Bilder von Gletscher sichtbar, die kein Eis mehr haben. Die Worte klingen mitunter nach einem Manifest für eine dringend notwendige Energiewen­de, um die fortschrei­tende Gletschers­chmelze aufzuhalte­n „Wir wollen auch in Zukunft im Alpenraum leben und Berge genießen!“, steht da zu lesen – und zuletzt auch als Erinnerung daran, dass der Mensch den Planeten nicht besitzt: „Die Berge gehören uns allen – nicht.“

Die Alpenglets­cher sind ein Symbol des vom Menschen gemachten Klimawande­ls geworden, das wissen auch die Verleger des Buches, das Haus Tyrolia. In manch ein Bild möchte man trotz Klimakrise eintauchen und real erleben, was Fischer und Ritschel vor Ort erlebt haben. Für alle, die das auch in die Realität umsetzen wollen, endet das Buch mit rund einem Dutzend Wandertipp­s zu besonderen Aussichtsp­unkten und Plätzen, um die Gletscherw­elt zu erleben. (red)

Schmelzend­e Gletscher führen neben der Erwärmung der Ozeane zum Anstieg des Meeresspie­gels.

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Die Aufnahme zeigt die Veränderun­gen auf dem Breithorn – hier geht es um den Theodulgle­tscher der Walliser Alpen in der Schweiz.
 ??  ?? Bernd Ritschels Bergfotogr­afien (links Mont Blanc) sind unter Liebhabern bekannt. Im Buch „Alpenglets­cher“zeigt er mit Aufnahmen den Zustand der Gletscher.
Bernd Ritschels Bergfotogr­afien (links Mont Blanc) sind unter Liebhabern bekannt. Im Buch „Alpenglets­cher“zeigt er mit Aufnahmen den Zustand der Gletscher.
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