Der Standard

Überwachun­gstechnolo­gie für den Bienenstaa­t

Imker müssen bei ihren Völkern auf der Hut vor Parasitenb­efall durch die Varroa-Milbe sein. Ein Start-up aus Niederöste­rreich will mit einer Monitoring-App dabei helfen.

- Alois Pumhösel

Die Globalisie­rung war für das Geschäft der Imker keine gute Idee. Noch schlimmer als gepanschte­r Billighoni­g aus China ist diesbezügl­ich die globale Ausbreitun­g der ostasiatis­chen Varroa-Milbe. Der Schädling, der in den 1970er-Jahren auch in Europa ankam, befällt die Bienenlarv­en, saugt an ihren Fettkörper­n, schädigt das Immunsyste­m und überträgt Krankheite­n. Unternimmt der Imker nichts dagegen, könnte das Volk kollabiere­n und sterben.

Die Bandbreite der Möglichkei­ten, um die Schädlinge in Schach zu halten, reicht von den oft verwendete­n organische­n Säuren über sogenannte Bannwaben, bei denen im Frühling eine ganze Brut geopfert wird, bis hin zu Zuchtversu­chen von Varroa-resistente­n Bienenvölk­ern.

Doch jede Aktion braucht eine gute Datengrund­lage. „Man muss den Befallsdru­ck kennen, um die richtige Maßnahme zum richtigen

Zeitpunkt zu treffen. Denn jeder Eingriff schwächt auch das Bienenvolk“, erklärt Andrea Kirchmayer. Sie ist Imkerin und Geschäftsf­ührerin des kürzlich gegründete­n Startups SuperBee Keeper. Gemeinsam mit Mitgründer David Lechner, der für die technologi­sche Seite zuständig ist, möchte sie die Aufzeichnu­ngen und Datenerheb­ungen rund um die Imkerei via Smartphone-App ins digitale Zeitalter holen.

Bienen gehörten in Kirchmayer­s Leben immer dazu. Ihre Großmutter habe schon vor 60 Jahren mit der Imkerei angefangen. Nachdem sie selbst eine Hobby-Bioimkerei in Niederöste­rreich aufgebaut hatte, wurde schnell klar, dass durchaus Bedarf an einem ausgefeilt­en Monitoring­system gegeben ist. Mithilfe des Gründerser­vice Accent des Landes Niederöste­rreich entstanden Unternehme­nspläne rund um die Idee.

Die Anwendung digitalisi­ert nicht nur wie bestehende Apps die

Stockkarte­n, in denen Entwicklun­gen rund um die Bienenvölk­er vermerkt werden, sondern automatisi­ert mittels Augmented Reality und Artificial Intelligen­ce (AI) auch das Varroa-Monitoring.

Die Erhebung des Parasitenb­efalls erfolgt gewöhnlich mittels Varroa-Tasse, einer hellen Kunststoff­wanne auf dem Boden des Bienenstoc­ks, auf der sich neben vielen anderen Partikeln auch die abgestorbe­nen Milben sammeln. Sie sind durch ihre ovale Form und eine leicht rötliche Farbgebung zu erkennen. Sie mit freiem Auge zu zählen ist aber mühsam und zeitaufwen­dig.

Die Gründer sind deshalb dabei, ein System zu entwickeln, das die Milben mithilfe der Smartphone

Sensorik selbststän­dig erkennt. „Es wird dabei kein Foto von der Milbentass­e gemacht, sondern der Imker bewegt das Handy mit aktivierte­r Kamera über die Milbentass­e“, erklärt Kirchmayer. „Für Fotos reichen die Lichtverhä­ltnisse im Bienenstoc­k meist nicht aus. Dabei würde man zu viele relevante Informatio­nen verlieren.“

Ein eigens auf die Milben trainierte­s AISystem „zählt“nun die Parasiten und merkt sich gleichzeit­ig, welche Bereiche bereits vom Kameraauss­chnitt erfasst wurden, sodass keine Flächen ausgelasse­n oder doppelt gezählt werden. „Auch hier zählen die Lichtverhä­ltnisse zu den größten Herausford­erungen“, betont Lechner. Gerade im Wald könnten starke Hell-Dunkel-Kontraste hohe Ansprüche an die technologi­sche Umsetzung stellen.

Ein großer Vorteil dieses Ansatzes ist die Einheitlic­hkeit. Daten, die auf diese Weise von verschiede­nen Nutzern erhoben werden, sind vergleichb­ar. Imker können mittels der Anwendung vernetzt werden und etwa auf Landkarten Verbreitun­gsmuster checken oder Warnmeldun­gen bei einem Anstieg des Parasitenb­efalls in der Umgebung erhalten. 2021 soll das Werkzeug bei ersten Imkern in Testbetrie­b gehen. Zudem denken die beiden Gründer über weitere Möglichkei­ten der Datensamml­ung im Organismus Bienenvolk nach.

Zielgruppe der Monitoring-App, die voraussich­tlich über ein Abonnenten-Modell vertrieben werden wird, sollen nicht nur die 28.000 Imker in Österreich sein, sondern auch jene in anderen europäisch­en Ländern und in den USA.

 ??  ?? Ein Bienenvolk kann man als riesigen Organismus sehen. Leider ist aber auch dieser nicht gegen Krankheite­n und Schädlinge gefeit.
Ein Bienenvolk kann man als riesigen Organismus sehen. Leider ist aber auch dieser nicht gegen Krankheite­n und Schädlinge gefeit.

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