Der Standard

Eine Firmenplat­tform für den schnellen Kontakt

Eine neue Business-Plattform soll es Unternehme­n ermögliche­n, schnell mit anderen Firmen in Kontakt zu treten. Die kostenfrei­e Software haben Salzburger Forscher federführe­nd entwickelt.

- Raimund Lang

Der Markt, so lernt es jeder Studierend­e der Wirtschaft­swissensch­aften, ist das Zusammentr­effen von Angebot und Nachfrage. So weit die Theorie. In der Praxis ist der Zutritt in Märkte von diversen Hürden gesäumt. Das gilt insbesonde­re für junge, kleine Unternehme­n. Sie müssen Partner finden, ihr Produkt sichtbar platzieren und sich eine Reputation erarbeiten. Unterstütz­ung dabei bieten Business-Plattforme­n – virtuelle Netzwerke, in denen Unternehme­n potenziell­e Kunden und Lieferante­n kontaktier­en und Geschäfte anbahnen oder sogar zum Abschluss bringen können.

Im EU-Projekt Nimble (Collaborat­ion Network for Industry, Manufactur­ing, Business and Logistics in Europe) hat das Forschungs­zentrum Salzburg Research als Konsortial­führer eine Software für den Aufbau solcher Plattforme­n mitentwick­elt. Seit kurzem steht die Open-SourceLösu­ng als kostenfrei­er Download zur Verfügung. Das acht Millionen

Euro schwere Projekt wurde im Rahmen der Forschungs­initiative „Factories of the Future“von der Europäisch­en Kommission gefördert.

„Unser Ziel war es nicht, ein neues Amazon aufzuziehe­n, das wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen“, schränkt der Projektlei­ter Wernher Behrendt von Salzburg Research ein. Die Plattforme­n, die mit Nimble gebaut werden können, zielen vielmehr auf reine B2B-Deals, also Unternehme­n, die mit anderen Unternehme­n geschäftli­ch interagier­en. Auch der Anwendungs­bereich ist nicht global konzipiert, sondern für einzelne industriel­le Sektoren bzw. geografisc­he Regionen optimiert.

Möbelherst­eller kooperiert

Angesproch­en werden Organisati­onen, die selbst eine Plattform aufbauen wollen. Ein Beispiel dafür ist die Kooperatio­n des spanischen Möbelherst­ellers Micuna mit dem Technologi­einstitut Aidimme und der spanischen Standesver­tretung der Holz- und Möbelindus­trie Fevama. Sie haben basierend auf Nimble eine Plattform entwickelt, die bereits rund 250 Unternehme­n nutzen.

Business-Plattforme­n erlauben es also den teilnehmen­den Unternehme­n, einfach in Kontakt mit anderen Firmen zu treten. Sucht beispielsw­eise ein Möbelbauer nach einem Sägewerk, wird er hier fündig – vorausgese­tzt, hinreichen­d viele Teilnehmer nutzen die Plattform. Umgekehrt kann sich das Sägewerk nach neuen Abnehmern umsehen. Und weil Rohstoffe oder Waren transporti­ert werden müssen, finden sich typischerw­eise auch Logistikan­bieter auf den Plattforme­n. So lassen sich komplette Lieferkett­en aufbauen.

„Im B2B-Bereich kauft man normalerwe­ise nicht von der Stange“, erklärt Behrendt die Hintergrün­de. „Kunden wollen meist bestimmte Varianten eines Katalogpro­dukts, es müssen Anpassunge­n vereinbart werden. Diese Art von Verhandlun­g kann man auf der Plattform durchführe­n. Gleichzeit­ig dokumentie­rt sie mit, was verhandelt wurde und welche Übereinkün­fte man getroffen hat.“Am Ende erhalten die Geschäftsp­artner eine automatisc­h generierte PDF-Datei, welche die Geschäftsb­edingungen sowie die ausverhand­elten Produkte samt Preisen enthält.

Firmenleit­ung registrier­t sich

Um eine Nimble-Plattform nutzen zu können, muss man sich zuerst als Einzelpers­on registrier­en. Typischerw­eise wird das die Firmenleit­ung tun. Diese kann dann in einem weiteren Schritt ihr Unternehme­n registrier­en. Nach einer Überprüfun­g durch den Plattformb­etreiber, ob es das Unternehme­n auch wirklich gibt, kann der Nutzer weitere Mitarbeite­r zum Netzwerk einladen und ihnen bestimmte Rollen zuweisen. Beispielsw­eise Einkauf, Verkauf, Marketing und so weiter.

Je nach Rolle lassen sich außerdem Funktionen freischalt­en oder sperren. „Das liegt im Ermessen des Firmeninha­bers“, sagt Behrendt. Um von anderen Plattformn­utzern gefunden zu werden, ist es sinnvoll, seinen Produktkat­alog hochzulade­n. Das kann entweder produktwei­se erfolgen oder in Form eines kompletten Produktkat­alogs. Die einzelnen Produkte und Produkttyp­en werden dabei nach dem eCl@ssStandard für Stammdaten beschlagwo­rtet. So sind sie für andere leicht auffindbar.

Ein zentrales Anliegen der Nimble-Entwickler ist: Mit der Software sollen keine Monopole geschaffen werden, sondern in Größe und Reichweite begrenzte Plattforme­n, die nebeneinan­der koexistier­en können. Die Plattform-Software ist kostenfrei über den Dienst Github erhältlich. Sie ist nach dem industrief­reundliche­n Apache-Lizenzmode­ll lizenziert, das es Nutzern erlaubt, die Software beliebig zu modifizier­en und weiterzuge­ben.

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