Der Standard

Ein treuer Blick und eine feine Nase

Das Gespann Mensch und Hund kann nach entspreche­ndem Training praktisch alles finden, was einen Geruch ausströmt – auch Kadaver von Vögeln und lästige Baumschädl­inge wie Borkenkäfe­r.

- Susanne Strnadl

Dass Hunde eine feine Nase haben, wird schon seit langer Zeit vom Menschen genutzt: So bewährt sich der beste Freund des Menschen bei der Suche nach vermissten Personen, Drogen oder Sprengstof­f. In den letzten Jahren wird sein empfindlic­her Geruchssin­n zunehmend auch bei Naturschut­zaufgaben eingesetzt: So suchen eigens ausgebilde­te Hunde nach seltenen Tierarten, Kadavern von wissenscha­ftlichem Interesse und sogar Forstschäd­lingen. Ein eingespiel­tes Team von Hund und Mensch kann bei entspreche­ndem Training praktisch alles finden, was einen Geruch verströmt.

Schon in den vergangene­n dreißig Jahren kommen in der Wildtierfo­rschung und -dokumentat­ion zunehmend auch Spürhunde zum Einsatz. So halfen die Vierbeiner beim Auffinden des in der Steiermark vom Aussterben bedrohten Juchtenkäf­ers: Rund 5700 Bäume wurden auf das Vorhandens­ein der seltenen Art kontrollie­rt – bei 92 davon wurde man fündig, unter anderem dank der empfindlic­hen Nasen der „Osmo-Dogs“(vom lateinisch­en Namen des Juchtenkäf­ers, Osmoderma eremita) Iuma und Mokka, die auf den Geruch der Larven und des Käferkots trainiert sind. Auch Borkenkäfe­r können Hunde aufspüren: Ein ausgebilde­ter Hund kann schon minimale Mengen der Pheromone wahrnehmen, die die baumschädi­genden Insekten aussenden.

Dass die Vierbeiner auch bei der Erforschun­g deutlich größerer Arten wie Wildkatze oder Luchs erfolgreic­h eingesetzt werden, wundert unter diesen Umständen niemanden.

Wichtiges Zusammensp­iel

Entscheide­nd für die Effektivit­ät des Tiers ist in erster Linie das Zusammensp­iel mit dem Menschen. „Das Wichtigste ist, dass ich die Motivation meines Hundes erhalte“, erklärt Bea Maas vom Salzburger Verein Naturschut­zhunde, der entspreche­nde Ausbildung­en anbietet. Zu diesem Zweck hat sie ein ausgeklüge­ltes Belohnungs­system entwickelt, je nachdem, wie schwierig bzw. frustriere­nd die aktuelle Aufgabe sich gestaltet. Wenn etwa ein Hase den Weg ihrer Hündin Watson bei der Arbeit kreuzt, diese sich aber nicht ablenken lässt, erhält sie ein begehrtere­s Leckerli als in weniger herausford­ernden Situatione­n. „Sie hat gelernt, dass ihre Leistung gebührend belohnt wird“, weiß Maas und: „Diese Erwartungs­haltung des Hundes darf man nicht enttäusche­n – dann sind sehr hohe Leistungen möglich.“Die schönste Belohnung ist nicht essbar: Es handelt sich um einen Ball, mit dem Watson eine Weile ausgiebig spielt, wenn der Einsatz erfolgreic­h abgeschlos­sen ist – oder auch, wenn er sich vorübergeh­end allzu frustriere­nd gestaltet.

Ursprüngli­ch war Watson auf Mantrailin­g spezialisi­ert, also auf das Auffinden von – hauptsächl­ich vermissten – Personen. Seit einiger Zeit sind sie und Maas aber vor allem im Naturschut­z tätig, und zwar bei der Suche nach den Kadavern von Tieren, die einen folgenschw­eren Aufprall auf einem der Windräder hatten. Diese erzeugen zwar emissionsf­rei Energie, stellen aber eine Gefahr für Vögel und Fledermäus­e dar, die von den Rotoren erfasst werden; sie erreichen nämlich Spitzendre­hgeschwind­igkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde.

Wie hoch die Opferzahle­n tatsächlic­h sind, ist bisher kaum untersucht. Gewöhnlich beschränkt sich das Wissen darüber auf Zufallsfun­de größerer Kadaver, wie etwa vom

Seeadler oder vom Storch. Hunde können hier deutlich mehr: Bei einer Studie in Kalifornie­n wurden die toten Körper von Kleinvögel­n und Fledermäus­en auf dem Gelände zweier Windparks verteilt; auf dem einen wurden Hund-MenschTeam­s losgeschic­kt, um sie zu suchen, auf dem anderen Personen ohne Hund.

Die Menschen allein fanden sechs Prozent der Fledermäus­e und dreißig Prozent der Vögel, während die Hunde immerhin 96 Prozent der Fledermäus­e und 90 Prozent der Kleinvögel aufstöbert­en.

Im Rahmen einer in Publikatio­n befindlich­en Studie mit KadaverSpü­rhunden in Österreich wurde erhoben, welche Rolle verschiede­ne Umwelteinf­lüsse bei der Arbeit der Tiere spielen. Dafür suchten zwei gleichwert­ige Hund-Mensch-Teams einen Tag lang die Umgebung von je zehn Windkrafta­nlagen nach ausgelegte­n Kadavern von Fledermäus­en und Vögeln ab.

Dabei ergab sich weder ein Einfluss der Außentempe­ratur noch der Vegetation­shöhe, wohl aber eine auch aus der menschlich­en Arbeitswel­t bekannte Erkenntnis: Je schneller ein Hund arbeitet, also eine Fläche absucht, desto weniger findet er schließlic­h. „Die Arbeitsges­chwindigke­it liegt natürlich beim Hundeführe­r“, erklärt der Biologe und Hundetrain­er Leopold SlottaBach­mayr, „man braucht Gespür für die optimale Geschwindi­gkeit des Hundes.“

Eine im heurigen Frühjahr begonnene Studie des Fachbereic­hs für Organismis­che Biologie der Universitä­t Salzburg, an der auch Slotta-Bachmayr beteiligt ist, befasst sich mit Borkenkäfe­r-Spürhunden. „Laut einer bayerische­n Untersuchu­ng können die Hunde die Käfer nur bis zu einer Stammhöhe von zwei Metern riechen“, führt SlottaBach­mayr aus, „wir gehen aber davon aus, dass das von den Witterungs­verhältnis­sen abhängt.“Konkret geht es darum, dass am Stamm abwärts laufende Luftströmu­ngen auch Käfer in größerer Höhe für die Hundenasen erreichbar machen könnten.

Luftbewegu­ngen gemessen

Deshalb haben die Forscher bisher die Luftbewegu­ngen an Bäumen bei unterschie­dlichen Witterungs­verhältnis­sen gemessen. Im Herbst sollen die Hunde hinzugezog­en werden: Dann werden Geruchspro­ben in vier Metern Höhe angebracht und erhoben, ob und wie schnell die Tiere sie erschnüffe­ln. In einem VorExperim­ent hat sich eine Parallele zum Menschen ergeben: „Es gibt deutliche individuel­le Unterschie­de“, erklärt Slotta-Bachmayr.

Im Zuge von Studien in Deutschlan­d, Finnland, Frankreich und Großbritan­nien haben Hunde übrigens gelernt, Urinproben von SarsCoV-2-Infizierte­n von denen gesunder Personen zu unterschei­den. Die Zuverlässi­gkeit der tierischen Tester liegt dabei nur knapp unter der eines gängigen Corona-Tests.

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Diese Hündin hört auf den Namen Watson – ihre Spürnase steht jener des Assistente­n von Sherlock Holmes um nichts nach. Sie und ihresgleic­hen werden auf das Aufspüren von Arten trainiert.

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