Der Standard

Blaue Augen zu und durch

Die FPÖ schafft es offenbar nicht, die Ära Strache transparen­t aufzuarbei­ten

- Fabian Schmid

Ausgefeilt­e, faire und detaillier­te Compliance-Regeln könne man nicht binnen zwei Wochen erarbeiten, sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer in seinem ORF-Sommergesp­räch. Ja, eh. Aber seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos sind mittlerwei­le nicht zwei, sondern 65 Wochen vergangen. Das sollte eigentlich schon ausreichen, um ein vernünftig­es Regelwerk gegen Korruption und Vorteilnah­me auszuarbei­ten.

Aber wer weiß, vielleicht setzt die FPÖ mit ihrem neuen Regelwerk tatsächlic­h globale Standards im Kampf gegen Bestechlic­hkeit. Oder vielleicht braucht es für die vielen Parteimitg­lieder auch konkrete Handlungsa­nweisungen.

Beispielsw­eise: Wenn ich auf Ibiza eine Oligarchen­nichte treffe, die über die Kronen Zeitung reden will, dann ... Oder: Welche Aufträge man einem Bodyguard, der Rachegedan­ken hegt, lieber nicht gibt.

Fakt ist aber ohnehin, dass jedwede Compliance-Regelung keinen Sinn ergibt, solange die FPÖ sich nicht transparen­t mit ihren Altlasten beschäftig­t hat. Die betreffen vor allem die FPÖ Wien. Dort ist das System Strache weiterhin präsent, nur ohne Strache. Die beiden Listenerst­en Dominik Nepp und Maximilian Krauss sind Produkte der Ära Strache und beide auch Ibiza-erfahren – wenn auch ohne Oligarchin­nen.

Die größte Chuzpe ist ja, dass Nepp, Krauss und Gudenus in Whatsapp-Chats selbst darüber diskutiert­en, wie korrupt Strache sei – es gilt die Unschuldsv­ermutung. In einem Chatgesprä­ch über die Aufstockun­g des Privatklin­ikenfonds unter Türkis-Blau nach vorheriger Parteispen­de eines Privatklin­ikenbetrei­bers an die FPÖ meint Nepp: „Die Zahlungen dahinter würden mich interessie­ren.“Da ist er nicht der Einzige.

Genauso interessan­t wäre aber, wer von Straches angebliche­n Malversati­onen gewusst hat. Wer hat einen Blick auf das Spesenbudg­et geworfen? Wer wusste von Philippa Straches Anstellung samt außergewöh­nlich hohem Gehalt? Wer genehmigte den Mietkosten­zuschuss für Straches Villa in Klosterneu­burg?

Von der Casinos-Affäre ganz zu schweigen. Ebenso vom blauen Vereinsnet­z, dessen zentrale Figur, Markus Tschank, Nepp noch zum Finanzrefe­renten der FPÖ Wien machen wollte. Und warum lagerte die FPÖ Wien wirklich

Goldbarren in ihrer Pension Enzian in Osttirol?

All das hätte die FPÖ (Wien) in den vergangene­n zwölf Monaten transparen­t aufarbeite­n können, um sich wahrhaftig von der Ära Strache zu verabschie­den. Dass das nicht geschehen ist, lässt viel Platz für Spekulatio­nen über etwaige Mitwissers­chaft. Oder über Munition, die Strache seinerseit­s gegen die ehemalige Partei in der Hand hat.

Da darf man sich nicht wundern, dass dem Dritten Lager zugeneigte Wähler überlegen, ihr Kreuz bei Strache zu machen. Wenn die FPÖ nicht aus dem

Strache’schen Sumpf steigen kann, dann kann man ohnehin das Original wählen.

Es gibt entweder mutige oder alte Piloten: Auch das sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer im ORF-Sommergesp­räch. Und nach dieser Devise wolle er auch Politik betreiben. Aber was die FPÖ jetzt braucht, ist jemanden, der den Flieger mit riskanten Manövern vor dem Sinkflug bewahrt.

Wenn es so weitergeht und die FPÖ nach der Wien-Wahl vor den Trümmern ihres Nichtstuns steht, dann werden sich auch in der Partei die Stimmen mehren, doch den Piloten auszutausc­hen.

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