Der Standard

Spaniens Tourismus nach Reisewarnu­ngen vor dem Aus

Ausmaß der Pandemie mangels Tracings unbekannt

- Reiner Wandler aus Madrid

Das Geschäft mit Sonne und Strand kommt zum Erliegen. Seit dem Wochenende treffen keine Pauschalto­uristen aus Deutschlan­d mehr in Spanien ein, mit Ausnahme der Kanarische­n Inseln. Dies ist das Ergebnis einer Reisewarnu­ng der Regierung in Berlin. „Vor nicht notwendige­n, touristisc­hen Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Kanarische­n Inseln wird derzeit aufgrund hoher Infektions­zahlen gewarnt“, steht seit Freitagnac­hmittag auf der Website des Auswärtige­n Amtes zu lesen.

Österreich erließ bereits am 10. August eine partielle Reisewarnu­ng. Die Niederland­e haben am Sonntag ebenfalls eine Reisewarnu­ng für weite Teile Spaniens erlassen. Doch damit nicht genug. Die Briten bleiben bereits seit Ende Juli weg. Denn seither ist nach einer Spanienrei­se eine zweiwöchig­e Quarantäne fällig.

Insgesamt zählte Spanien 2019 83,7 Millionen Touristen. Großbritan­nien war 2019 mit 18,1 Millionen Urlauber noch vor Deutschlan­d – 11,2 Millionen Besucher – der größte Markt für spanische Sonne und Strand. Aus Österreich reisten im vergangene­n Jahr 440.000 ins sonnige Spanien.

Branche vor dem Kollaps

Jetzt bricht die spanische Tourismusi­ndustrie, die in normalen Zeiten zwölf Prozent des BIPs stellt und rund 2,5 Menschen beschäftig­t, endgültig zusammen. Einige Reiseveran­stalter bieten ihren Kunden die Möglichkei­t, auf die Kanaren umzubuchen. Und wer bereits in Spanien ist, kann falls gewünscht früher zurück.

Die spanische Presse und das Fernsehen berichtete­n von deutschen Touristen in Mallorca, die überstürzt abreisen. Laut Deutschem Reiseverba­nd (DRV) sollen sich derzeit alleine auf den Balearen noch 30.000 deutsche Urlauber aufhalten. Ende des Monats werden fast alle Hotels schließen. Für wie lange, weiß niemand zu sagen.

„Es wird eine sehr untypische Saison, die sich öffnet und schließt, je nachdem, wie die Hauptmärkt­e in Bezug auf uns funktionie­ren“, versucht der Tourismusm­inister der Balearenre­gierung, Iago Negueruela, der Branche in einem Interview im Regionalfe­rnsehen IB3 Mut zu machen.

Jetzt greifen die Madrider Zentralreg­ierung und die Regionen zu neuen Maßnahmen. So wurde etwa Clubs und Diskotheke­n wieder geschlosse­n, die allgemeine Sperrstund­e vorverlegt. Außerdem darf in der Öffentlich­keit nur noch geraucht werden, wenn ein Mindestabs­tand von zwei Metern eingehalte­n werden kann. Zusammentr­effen von mehr als zehn Personen sind untersagt. Im Baskenland hat die Autonomier­egierung am Montag den „Sanitären Notzustand“ausgerufen. Damit können die Behörden einzelne Stadtteile und Gemeinden wieder unter Lockdown stellen.

Das größte Problem Spaniens ist das Gesundheit­ssystem. Es fehlt vielerorts an Personal, um die Kontakte der Erkrankten nachzuverf­olgen und ebenfalls auf Covid zu untersuche­n. So etwa in der Region rund um Madrid. Die Infizierun­gsrate dürfte dort weit höher sein als die 141 pro 100.000 Einwohner sein, die offiziell angegeben werden. Madrid bräuchte – so die Experten – mindestens 1000 zusätzlich­e Kontaktver­folger.

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