US-Wahlkampf in Zeiten von Corona
Deutsche Sozialdemokraten legen in Umfragen zu – Ungeklärte Führungsfrage sorgt für Zwist in der CDU
Monatelang hatte sich Joe Biden, der Herausforderer Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl, angesichts der Corona-Pandemie in den Keller seines Hauses zurückgezogen. Nun hat er beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Milwaukee endlich Gelegenheit, den Wahlkampf zu eröffnen – wenn auch vorerst nur virtuell. Anstatt wie gewöhnlich vor tausenden Anhängern in einer Halle spielt sich der Parteitag heuer hauptsächlich auf Computerbildschirmen ab. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – blieb vom Auftakt vor allem der Auftritt einer Frau in Erinnerung, die Biden, den ehemaligen Vizepräsidenten Barack Obamas, gut kennt: Michelle Obama, die ehemalige First Lady. Eindringlich warnte sie vor einer weiteren Amtszeit Trumps. Der Angesprochene reagierte für seine Verhältnisse gefasst. Er, so Trump, wäre nicht Präsident, hätte Michelle Obamas Ehemann seinerzeit nicht so versagt.
Gleich wieder wegschauen. Das war in den vergangenen Jahren der Impuls vieler deutscher Sozialdemokraten beim Blick auf die Umfragewerte.
Für die SPD, die bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 nur magere 20,5 Prozent eingefahren hatte, ging es immer weiter nach unten. Zwischendurch sahen sie Demoskopen nur noch bei 14 Prozent – und damit sogar hinter der AfD.
Nun jedoch freut man sich über leichten Aufwind. Sowohl im InsaMeinungstrend für Bild als auch beim Meinungsforschungsinstitut Kantar für Bild am Sonntag konnte die SPD nach der Nominierung von Finanzminister Olaf Scholz von 16 auf 18 Prozent zulegen.
Damit hat sie wieder den Platz vor den Grünen eingenommen. Zum Vergleich: Die Union allerdings kommt auf 36 Prozent.
Schon ist vom „Scholz-Effekt“die Rede – in Anlehnung an den „Schulz-Effekt“, über den sich die SPD zu Jahresbeginn 2017 freute. Damals machte der ehemalige Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz seine Kanzlerkandidatur öffentlich. Die Umfragewerte stiegen, zudem konnte die SPD den Eintritt vieler neuer Mitglieder vermelden.
Der „Schulz-Effekt“jedoch verpuffte bald, bei der Wahl erreichte Schulz das bis dahin schlechteste Ergebnis der SPD.
Ein derartiges Szenario will Scholz natürlich vermeiden, daher hat er folgendes Motto für den Wahlkampf ausgegeben: „Wir wollen durch unerwartete Geschlossenheit überraschen.“
Juso-Chef Kevin Kühnert, der vor einem Jahr noch tatkräftig mithalf, Scholz als SPD-Vorsitzenden zu verhindern, wirbt mittlerweile für den Kanzlerkandidaten Scholz. Und Scholz hat sich auch demonstrativ mit Schulz in dessen Heimatstadt Würselen (Nordrhein-Westfalen) getroffen. Früher galten die beiden als parteiinterne Widersacher. Nun will Schulz zu Scholz halten und nennt ihn eine „gute Wahl“.
Zwar liegt die SPD in Umfragen weit hinter der Union, aber sie hat ihr eines voraus: Die Frage, wer bei der Bundestagswahl 2021 als Kanzlerkandidat antreten wird, ist mit Scholz’ Kandidatur entschieden.
In der Union hingegen ist das Rennen immer noch offen. Es gibt ja nach wie vor keine Klärung darüber, wer künftig die Partei führt und Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze nachfolgt.
Parteitag soll stattfinden
Die CDU-Gremien haben entschieden, dass der für Anfang Dezember geplante Wahlparteitag trotz Corona auf jeden Fall stattfinden soll, wenn auch in einer deutlich abgespeckten Form. Bis dahin jedoch sind den Spekulationen Tür und Tor geöffnet, die ungeklärte Führungsfrage sorgt für Zwist.
Während sich Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann für Söder als Unions-Kanzlerkandidaten ausspricht, zeigt sich der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Patrick Schieder in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung „irritiert über die Diskussion über eine Kanzlerkandidatur Söders“.
Laut FAS hat Kramp-Karrenbauer Söder schon im Juli in einem Telefonat in der Frage um Zurückhaltung gebeten. Das hinderte diesen aber nicht, in einem Interview für den Tagesspiegel zum Thema Kanzlerkandiatur zu erklären: „Nur wer Krisen meistert, kann auch bei der Kür glänzen.“
Derzeit ist Söder aber schwer unter Druck, weil 44.000 Reiserückkehrer ihre Corona-Test-Ergebnisse in Bayern tagelang nicht bekamen. Darunter waren auch 900 nachweislich Infizierte.
Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls will sich in die CDU-Kandidatenkür nicht einmischen. Nachdem sie im Juli mit Söder in Bayern in der Kutsche gefahren war und an einer Kabinettssitzung teilgenommen hatte, war sie am Dienstag zu Gast bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung.
Dort gab es keinen Pomp, was Merkel aber nicht enttäuschte. Sie bescheinigte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vielmehr das „Rüstzeug“für den CDU-Vorsitz zu haben.
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