Der Standard

Ausgaben für Pensionen werden massiv steigen

2020 muss der Staat mit Mehrkosten von fast 1,6 Milliarden Euro rechnen

- Gerald John

Wien – Ein Kostenanst­ieg von über zwei Dritteln binnen fünf Jahren: Laut Prognose aus dem Dachverban­d der Sozialvers­icherungen, die dem STANDARD vorliegt, drohen die Ausgaben für die Pensionen massiv zu steigen. Demnach soll die Ausfallhaf­tung des Bundes, mit der die finanziell­e Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen der Pensionsve­rsicherung­en aufgefüllt wird, um 1,58 Milliarden Euro von 6,87 Milliarden im Vorjahr auf heuer 8,45 Milliarden ansteigen. 2024 könnte die Summe dann bereits bei 11,65 Milliarden liegen.

Die Corona-Krise ist nicht allein dafür verantwort­lich, auch die Alterung und politische Beschlüsse schlagen sich nieder. Eine Gesamtscha­u aller Pensionsau­sgaben bieten die Zahlen aber noch nicht. Diese will die Pensionsko­mmission im Herbst vorlegen.

Wenig erfreulich­e Nachrichte­n kommen auch vom Arbeitsmar­kt. Aktuell sind 421.697 Menschen beim AMS als arbeitslos gemeldet. Das sind um nur 3000 weniger als noch am Anfang des Monats. Die Zahl der Langzeitar­beitslosen steigt deutlich, weshalb die Rufe nach Gegenmaßna­hmen lauter werden. Die Arbeiterka­mmer will eine Neuauflage der Aktion 20.000, eines ausgelaufe­nen Projekts zur Förderung Langzeitar­beitsloser.

Nicht nur in den Krankenkas­sen kündigt sich ein massives Finanzloch an: Laut einer Prognose des Dachverban­ds der Sozialvers­icherungen, die dem

STANDARD vorliegt, drohen die staatliche­n Kosten für die Pensionen in den kommenden Jahren rasant emporzusch­nellen. Demnach soll jener Beitrag, den der Bund den Pensionsve­rsicherung­en zur Finanzieru­ng der Altersleis­tungen zuschießt, um 1,58 Milliarden Euro von 6,87 Milliarden im Vorjahr auf heuer 8,45 Milliarden Euro steigen.

Bis 2024 könnte diese sogenannte Ausfallhaf­tung laut Prognose sogar auf 11,65 Milliarden anschwelle­n. Um die Dimensione­n einzuschät­zen, ein Vergleich: Die 4,78 Milliarden, um die der Beitrag binnen fünf Jahren anzusteige­n droht, entspricht annähernd jener Summe, die der Bund derzeit insgesamt für Wissenscha­ft und Forschung ausgibt. Das vorausgesa­gte Kostenplus wäre, sollte es in dieser Dramatik tatsächlic­h eintreten, beispiello­s. In den fünf Jahren nach Ausbruch der Finanzkris­e 2008 betrug der Anstieg der Ausgaben „nur“50 Prozent, nun macht dieser mehr als zwei Drittel aus. Das Wirtschaft­swachstum bleibt da naturgemäß weit zurück. Dabei muss man wissen: Der Staat gewährt die Ausfallhaf­tung, weil die Einnahmen aus den Versicheru­ngsbeiträg­en der Werktätige­n nicht reichen, um die garantiert­en Pensionsle­istungen zu bezahlen – doch damit allein ist es nicht getan. Dazu gesellen sich noch die Kosten für die Ausgleichs­zulage, eine Art Mindestpen­sion, und andere Ausgaben, weshalb der Bund im Vorjahr nicht nur die 6,87 Milliarden für die Haftung, sondern insgesamt 9,97 Milliarden aus Steuergeld in die gesetzlich­e Pensionsve­rsicherung gebuttert hat. Die Altersvers­orgung der Beamten kostet dann noch einmal etwa genauso viel.

Ein Grund für die düsteren Aussichten liegt auf der Hand. Weil die Arbeitslos­igkeit infolge des CoronaLock­downs

massiv gestiegen ist, brachen Versicheru­ngsbeiträg­e vormals Beschäftig­ter weg. Die Pensionsve­rsicherung­en rechnen zwar nach wie vor mit einem Einnahmenp­lus, doch das soll statt der ursprüngli­ch veranschla­gten 2,9 Prozent nur 1,1 Prozent betragen. Im Februar ging man noch davon aus, dass die Ausfallhaf­tung heuer bei rund acht Milliarden liegen wird, der Corona-bedingte Anstieg macht also gut 400 Millionen aus. Für 2021 gerechnet, beträgt der Unterschie­d zwischen den Prognosen vor und nach dem Lockdown rund 600 Millionen, für das Jahr 2024 aber nur mehr knapp 200 Millionen.

Virus ist nicht allein schuld

Die Zahlen zeigen somit auch: Das Virus ist nicht allein schuld. „Bereits im Vorjahr, noch lange vor der Pandemie, war klar, dass die Ausgaben des Bundes für die Pensionen in den kommenden Jahren stark steigen werden“, sagt Walter Pöltner, Chef der Pensionsko­mmission, die über die Stabilität des Systems wacht. Dafür sind zuallerers­t zwei demografis­che Effekte verantwort­lich: Zum einen steigt die Lebenserwa­rtung rapide, zum anderen kommen geburtenst­arke Jahrgänge – die sogenannte Babyboomer-Generation – allmählich ins Pensionsal­ter. Laut Statistik Austria wird die Bevölkerun­g über 65 Jahren bis 2060 um mehr als eine Million auf 2,76 Millionen anwachsen.

Doch Pöltner nennt auch hausgemach­te Kostentrei­ber. Vor der Nationalra­tswahl im Vorjahr passierten Goodies für Senioren das Parlament: Die alljährlic­he Pensionsan­passung ging deutlich über die Inflations­rate hinaus, außerdem müssen Neoruhestä­ndler künftig nicht mehr mindestens ein Jahr warten, bis sie erstmals die Teuerung abgegolten bekommen. Dazu kommt eine Neuauflage der „Hacklerreg­elung“, die nach 45 Arbeitsjah­ren eine Frühpensio­n mit 62 Jahren ohne Abschläge erlaubt. All das summiert sich laut Experten auf Hunderte Millionen. Die Politik habe gewusst, dass Mehrkosten auf sie zurollen, sagt Pöltner: „Umso mehr haben mich die Beschlüsse geärgert.“

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