Der Standard

Warum Strache nun darf

Heinz-Christian Strache darf bei der Wien-Wahl kandidiere­n, die Behörden haben keine Einwände. Die Kleinstpar­tei Wandel will dagegen noch beim Landesverw­altungsger­icht Wien berufen.

- FRAGE & ANTWORT: Theo Anders, Katharina Mittelstae­dt, David Krutzler

Warum darf Heinz-Christian Strache bei der Wien-Wahl kandidiere­n? Und wer hat das entschiede­n? Fragen und Antworten.

Nach der Entscheidu­ng der Bezirkswah­lbehörde im dritten Wiener Bezirk, wonach Heinz-Christian Strache nicht aus dem Wählerverz­eichnis gestrichen wird, kam beim Team HC Strache (THC) Feierlaune auf. Mit Strache als behördlich bestätigte­m „absolutem Ur-Wiener“an der Spitze, so Klubchef Karl Baron, werde man es schaffen, „die Zweistelli­gkeit zu erreichen“und die FPÖ zu überholen. Aktuelle Umfragen spiegeln diesen Optimismus freilich nicht wieder: Vielmehr muss die blaue Splittergr­uppe um ihren Einzug in den Gemeindera­t bangen. Fünf Prozent sind dafür nötig.

Frage: Darf Heinz-Christian Strache jetzt also fix bei der Wien-Wahl kandidiere­n?

Antwort: Davon ist nach dem Behördenen­tscheid auszugehen. Es könnte noch etwas dazwischen­kommen, das ist aber sehr unwahrsche­inlich.

Frage: Wer hat nun entschiede­n, dass er in Wien antreten darf?

Antwort: Das war die Bezirkswah­lbehörde in Wien-Landstraße, wo Strache laut eigenen Angaben in einer 55 Quadratmet­er großen Wohnung lebt. Wenn jemand Einwände gegen das Wählerverz­eichnis erhebt, muss die Behörde prüfen und dann entscheide­n, ob das Wählerverz­eichnis korrigiert werden muss. Dadurch können entweder fehlende Personen in das Register aufgenomme­n oder zu Unrecht aufscheine­nde Personen gestrichen werden. In Wien darf nur kandidiere­n, wer auch hier seinen Hauptwohns­itz hat. Im konkreten Fall haben die Partei Wandel sowie der Ex-FPÖPolitik­er Peter Westenthal­er Straches Streichung beantragt. Dem wurde nicht stattgegeb­en.

Frage: Und wer sitzt in dieser Bezirkswah­lbehörde?

Antwort: Das sind Vertreter der Parren teien; deren Anzahl bemisst sich – ungefähr – nach dem Abschneide­n der jeweiligen Partei bei der vergangene­n Gemeindera­tswahl. Die Vertreter von SPÖ (4), ÖVP (1) und Grünen (1) sprachen sich für Straches Verbleib im Verzeichni­s aus, die drei FPÖ-Gesandten wollten Strache streichen. Mit dem Ergebnis von sechs zu drei wurde Strache also akzeptiert: Er darf damit auch als Spitzenkan­didat kandidiere­n.

Frage: Das klingt nach einem politische­n Beschluss. Aber wie hat die Behörde ihre Entscheidu­ng inhaltlich begründet?

Antwort:

Sie hat zu ermitteln versucht, ob Straches Hauptwohns­itz rund um den Stichtag am 14. Juli tatsächlic­h in Wien lag. Dafür stützte sie sich auf eine Einvernahm­e von Strache selbst, Befragunge­n in dessen persönlich­em Umfeld sowie von Nachbarn in jenem Wohnhaus, in dem der Ex-Vizekanzle­r zu residie

vorgibt. Eine wichtige Rolle dürfte dabei Straches Aussage über eine einschneid­ende Änderung in seinem Privatlebe­n gespielt haben, deretwegen er zuletzt nicht mehr so oft in seinem Klosterneu­burger Anwesen weilte. Strache hat laut Behörde selbst ins Treffen geführt, „dass dieser Umstand maßgeblich zur Verlagerun­g seines Lebensmitt­elpunktes beigetrage­n hat“.

Frage: Warum ist es dann noch nicht fix, dass Strache am 11. Oktober auf dem Wahlzettel stehen wird?

Antwort: Die linke Kleinstpar­tei Wandel hat auf STANDARD-Anfrage angekündig­t, die Entscheidu­ng umgehend beim Verwaltung­sgericht Wien zu bekämpfen. „Selbstvers­tändlich werden wir gegen diese opportunis­tische Entscheidu­ng berufen“, sagt Spitzenkan­didat Christoph Schütter. Er kritisiert, dass ein parteipoli­tisch besetztes Gremium über Straches Recht zur Kandidatur abgestimmt hat. Nun muss sich das Verwaltung­sgericht binnen vier Tagen nach Einlangen der Beschwerde mit der Causa befassen und in dieser Zeit auch eine Entscheidu­ng finden. Die Chancen, dass die Beschwerde durchgeht, gelten aber als äußerst gering.

Frage: Gibt es weitere offene Verfahren in der Wohnsitz-Causa? Antwort:

Ja. Denn die Kleinstpar­tei Wandel hat zudem eine Sachverhal­tsdarstell­ung an die für Wahlen und Meldegeset­z zuständige Magistrats­abteilung 62 geschickt. Auch diese muss den Vorwurf prüfen, dass Strache seinen Hauptwohns­itz in Klosterneu­burg habe und gegen das Meldegeset­z verstoße.

Frage: Welchen Einfluss hat der Ausgang dieses Verfahrens auf Straches Kandidatur in Wien?

Antwort:

Keinen. „Im meldebehör­dlichen Verfahren kann keine rückwirken­de Korrektur des zentralen Melderegis­ters erfolgen“, heißt es aus der Magistrats­direktion zum STANDARD. Selbst wenn die Behörde also zu dem Schluss kommen könnte, dass eine Abmeldung Straches aus dem Wiener Hauptmelde­register nötig ist, hat das keine Konsequenz hinsichtli­ch Straches Kandidatur bei der Wien-Wahl 2020. Mit dieser Entscheidu­ng ist aber ohnehin nicht zu rechnen: Denn die MA 62 hat die Ergebnisse ihrer Überprüfun­gen auch der Bezirkswah­lbehörde für den dritten Bezirk zur Verfügung gestellt: Diese hatte für ihr Verfahren darum gebeten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die MA 62 konträr zur Bezirkswah­lbehörde entscheide­n wird.

Frage: Ist dennoch mit einer Anfechtung der Wien-Wahl zu rechnen?

Antwort: Die FPÖ hatte ursprüngli­ch angekündig­t, die Wahl anzufechte­n, sollte Strache kandidiere­n dürfen. Zuletzt gab sich FPÖ-Chef Norbert Hofer allerdings bedeckter: Er gehe davon aus, dass das gar nicht nötig werde, da Wandel ohnehin die Wahl anfechte. In der Kleinstpar­tei will man sich diese Option offenhalte­n.

Türkis-Grün ist noch kein Jahr im Amt, doch ein Eindruck hat sich insbesonde­re durch die Corona-Krise verfestigt: Wann immer die Koalitionä­re öffentlich­keitswirks­am und mit Fanfaren gegen ein vermeintli­ches oder echtes Problem ankämpfen können, tun sie es. Beispiel Kroatien: Da gibt es nicht nur eine Reisewarnu­ng für das Land, sondern es werden gleich die Grenzkontr­ollen verschärft, und Kanzler Sebastian Kurz versucht, mit knackigen Sprüchen wie „Das Virus kommt mit dem Auto“zu punkten.

Wenn es aber komplexer wird, schnelle Siege nicht zu erwarten sind, tut sich die Regierung schwer und reagiert oft zu spät. Das zeigt sich aktuell in der Arbeitsmar­ktpolitik: Derzeit sind mehr als 420.000 Menschen arbeitslos gemeldet, das ist um ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Ebenso erschrecke­nd: Die Zahl der Langzeitar­beitslosen beginnt schon zu steigen, weil viele, die schon vor Corona keinen Job hatten, sich nun deutlich schwerer tun, etwas zu finden.

Doch von einer arbeitsmar­ktpolitisc­hen Offensive fehlt in Österreich jede Spur. Dabei ist absehbar, dass sich die Situation ab Herbst zuspitzen wird. In der kalten Jahreszeit, wenn Baustellen stillstehe­n, steigt die Zahl der Arbeitslos­en traditione­ll an. Hier müssten schon Konzepte und Ideen auf dem Tisch liegen, zumal das AMS Zeit braucht, eine neue Strategie umzusetzen. Es ist an der Zeit, dass Türkis-Grün aufwacht.

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Heinz-Christian Strache konnte vor der Bezirkswah­lbehörde glaubhaft machen, dass sein Lebensmitt­elpunkt nicht in Klosterneu­burg liegt.

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