Warum Strache nun darf
Heinz-Christian Strache darf bei der Wien-Wahl kandidieren, die Behörden haben keine Einwände. Die Kleinstpartei Wandel will dagegen noch beim Landesverwaltungsgericht Wien berufen.
Warum darf Heinz-Christian Strache bei der Wien-Wahl kandidieren? Und wer hat das entschieden? Fragen und Antworten.
Nach der Entscheidung der Bezirkswahlbehörde im dritten Wiener Bezirk, wonach Heinz-Christian Strache nicht aus dem Wählerverzeichnis gestrichen wird, kam beim Team HC Strache (THC) Feierlaune auf. Mit Strache als behördlich bestätigtem „absolutem Ur-Wiener“an der Spitze, so Klubchef Karl Baron, werde man es schaffen, „die Zweistelligkeit zu erreichen“und die FPÖ zu überholen. Aktuelle Umfragen spiegeln diesen Optimismus freilich nicht wieder: Vielmehr muss die blaue Splittergruppe um ihren Einzug in den Gemeinderat bangen. Fünf Prozent sind dafür nötig.
Frage: Darf Heinz-Christian Strache jetzt also fix bei der Wien-Wahl kandidieren?
Antwort: Davon ist nach dem Behördenentscheid auszugehen. Es könnte noch etwas dazwischenkommen, das ist aber sehr unwahrscheinlich.
Frage: Wer hat nun entschieden, dass er in Wien antreten darf?
Antwort: Das war die Bezirkswahlbehörde in Wien-Landstraße, wo Strache laut eigenen Angaben in einer 55 Quadratmeter großen Wohnung lebt. Wenn jemand Einwände gegen das Wählerverzeichnis erhebt, muss die Behörde prüfen und dann entscheiden, ob das Wählerverzeichnis korrigiert werden muss. Dadurch können entweder fehlende Personen in das Register aufgenommen oder zu Unrecht aufscheinende Personen gestrichen werden. In Wien darf nur kandidieren, wer auch hier seinen Hauptwohnsitz hat. Im konkreten Fall haben die Partei Wandel sowie der Ex-FPÖPolitiker Peter Westenthaler Straches Streichung beantragt. Dem wurde nicht stattgegeben.
Frage: Und wer sitzt in dieser Bezirkswahlbehörde?
Antwort: Das sind Vertreter der Parren teien; deren Anzahl bemisst sich – ungefähr – nach dem Abschneiden der jeweiligen Partei bei der vergangenen Gemeinderatswahl. Die Vertreter von SPÖ (4), ÖVP (1) und Grünen (1) sprachen sich für Straches Verbleib im Verzeichnis aus, die drei FPÖ-Gesandten wollten Strache streichen. Mit dem Ergebnis von sechs zu drei wurde Strache also akzeptiert: Er darf damit auch als Spitzenkandidat kandidieren.
Frage: Das klingt nach einem politischen Beschluss. Aber wie hat die Behörde ihre Entscheidung inhaltlich begründet?
Antwort:
Sie hat zu ermitteln versucht, ob Straches Hauptwohnsitz rund um den Stichtag am 14. Juli tatsächlich in Wien lag. Dafür stützte sie sich auf eine Einvernahme von Strache selbst, Befragungen in dessen persönlichem Umfeld sowie von Nachbarn in jenem Wohnhaus, in dem der Ex-Vizekanzler zu residie
vorgibt. Eine wichtige Rolle dürfte dabei Straches Aussage über eine einschneidende Änderung in seinem Privatleben gespielt haben, deretwegen er zuletzt nicht mehr so oft in seinem Klosterneuburger Anwesen weilte. Strache hat laut Behörde selbst ins Treffen geführt, „dass dieser Umstand maßgeblich zur Verlagerung seines Lebensmittelpunktes beigetragen hat“.
Frage: Warum ist es dann noch nicht fix, dass Strache am 11. Oktober auf dem Wahlzettel stehen wird?
Antwort: Die linke Kleinstpartei Wandel hat auf STANDARD-Anfrage angekündigt, die Entscheidung umgehend beim Verwaltungsgericht Wien zu bekämpfen. „Selbstverständlich werden wir gegen diese opportunistische Entscheidung berufen“, sagt Spitzenkandidat Christoph Schütter. Er kritisiert, dass ein parteipolitisch besetztes Gremium über Straches Recht zur Kandidatur abgestimmt hat. Nun muss sich das Verwaltungsgericht binnen vier Tagen nach Einlangen der Beschwerde mit der Causa befassen und in dieser Zeit auch eine Entscheidung finden. Die Chancen, dass die Beschwerde durchgeht, gelten aber als äußerst gering.
Frage: Gibt es weitere offene Verfahren in der Wohnsitz-Causa? Antwort:
Ja. Denn die Kleinstpartei Wandel hat zudem eine Sachverhaltsdarstellung an die für Wahlen und Meldegesetz zuständige Magistratsabteilung 62 geschickt. Auch diese muss den Vorwurf prüfen, dass Strache seinen Hauptwohnsitz in Klosterneuburg habe und gegen das Meldegesetz verstoße.
Frage: Welchen Einfluss hat der Ausgang dieses Verfahrens auf Straches Kandidatur in Wien?
Antwort:
Keinen. „Im meldebehördlichen Verfahren kann keine rückwirkende Korrektur des zentralen Melderegisters erfolgen“, heißt es aus der Magistratsdirektion zum STANDARD. Selbst wenn die Behörde also zu dem Schluss kommen könnte, dass eine Abmeldung Straches aus dem Wiener Hauptmelderegister nötig ist, hat das keine Konsequenz hinsichtlich Straches Kandidatur bei der Wien-Wahl 2020. Mit dieser Entscheidung ist aber ohnehin nicht zu rechnen: Denn die MA 62 hat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen auch der Bezirkswahlbehörde für den dritten Bezirk zur Verfügung gestellt: Diese hatte für ihr Verfahren darum gebeten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die MA 62 konträr zur Bezirkswahlbehörde entscheiden wird.
Frage: Ist dennoch mit einer Anfechtung der Wien-Wahl zu rechnen?
Antwort: Die FPÖ hatte ursprünglich angekündigt, die Wahl anzufechten, sollte Strache kandidieren dürfen. Zuletzt gab sich FPÖ-Chef Norbert Hofer allerdings bedeckter: Er gehe davon aus, dass das gar nicht nötig werde, da Wandel ohnehin die Wahl anfechte. In der Kleinstpartei will man sich diese Option offenhalten.
Türkis-Grün ist noch kein Jahr im Amt, doch ein Eindruck hat sich insbesondere durch die Corona-Krise verfestigt: Wann immer die Koalitionäre öffentlichkeitswirksam und mit Fanfaren gegen ein vermeintliches oder echtes Problem ankämpfen können, tun sie es. Beispiel Kroatien: Da gibt es nicht nur eine Reisewarnung für das Land, sondern es werden gleich die Grenzkontrollen verschärft, und Kanzler Sebastian Kurz versucht, mit knackigen Sprüchen wie „Das Virus kommt mit dem Auto“zu punkten.
Wenn es aber komplexer wird, schnelle Siege nicht zu erwarten sind, tut sich die Regierung schwer und reagiert oft zu spät. Das zeigt sich aktuell in der Arbeitsmarktpolitik: Derzeit sind mehr als 420.000 Menschen arbeitslos gemeldet, das ist um ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Ebenso erschreckend: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen beginnt schon zu steigen, weil viele, die schon vor Corona keinen Job hatten, sich nun deutlich schwerer tun, etwas zu finden.
Doch von einer arbeitsmarktpolitischen Offensive fehlt in Österreich jede Spur. Dabei ist absehbar, dass sich die Situation ab Herbst zuspitzen wird. In der kalten Jahreszeit, wenn Baustellen stillstehen, steigt die Zahl der Arbeitslosen traditionell an. Hier müssten schon Konzepte und Ideen auf dem Tisch liegen, zumal das AMS Zeit braucht, eine neue Strategie umzusetzen. Es ist an der Zeit, dass Türkis-Grün aufwacht.