Der Standard

Höhenflüge von Tech-Aktien befeuern neue Dotcomblas­e

Trotz Corona-Krise boomen amerikanis­che Tech-Aktien wie selten zuvor. Manche Beobachter sehen eine gefährlich­e Technologi­eblase entstehen, wie sie die Weltwirtsc­haft zur Jahrtausen­dwende in die Krise stürzte.

- Leopold Stefan

Noch nie zuvor war ein Mensch so schnell so reich geworden wie Gerald Winnick im Jahr 1998. Der US-Investor hat mit seinem Unternehme­n Global Crossing mit Unterseeka­beln das Internet zwischen Kontinente gespannt und somit die Lebensader­n für den damaligen Tech-Boom geschaffen. Damit knackte Winnick mit seinem persönlich­en Vermögen die Milliarden-Dollar-Marke in eineinhalb Jahren.

Vier Jahre später war der Konzern pleite. Und zwischendu­rch, im März 2000, war die Dot-Com-Blase geplatzt. Milliarden an Börsenwert verpufften, die USA und Europa schlittert­en in eine Rezession. Das Schicksal von Global Crossing zeugt davon, dass es nicht ausschließ­lich Fantasiefi­rmen der sogenannte­n New Economy – ohne Umsatz oder Gewinn – waren, die Anlegern über den Kopf wuchsen.

Neue Tech-Blase

Trotz des jüngsten Börsenkrac­hs, den die Corona-Krise ausgelöst hatte, gelingen amerikanis­che TechAktien neuerlich Höhenflüge. Droht der Welt eine neue Dot-Com-Blase? Ein Blick zurück: Das Internet barg Ende der Neunziger das Verspreche­n, die Welt revolution­ieren zu können. Zwanzig Jahre später lässt sich das durchaus bestätigen. Doch nicht jedes Unternehme­n mit einem „Dot-Com“im Namen konnte davon profitiere­n.

In der Aufbruchst­immung schien an den Märkten die Vorsicht in den Wind geschlagen. Der US-Technologi­e-Index Nasdaq wuchs in einem Jahr um 250 Prozent. Das Verhältnis von Aktienkurs zum Gewinn an der Technologi­ebörse, eine wichtige Kennzahl für Investoren, stieg auf 200. Anders ausgedrück­t: Hochgejazz­te Lieferserv­ices für Tierfutter und Co erwirtscha­fteten Gewinne, die erst nach zweihunder­t Jahren ihrer Bewertung entspreche­n würden.

Für den Anlagebera­ter Kevin Duffy, Mitgründer von Bearing Asset Management, wiederholt sich die Geschichte heute. Die aktuelle Entbung

wicklung an den Börsen löse ein „intensives Déjà-vu“aus, schreibt er in einem Beitrag, den The Market veröffentl­ichte.

Der Nasdaq-Index hat sein Hoch aus dem Jahr 2000 längst hinter sich gelassen (siehe Grafik). Allein seit März, als der Corona-Einbruch allen Märkten einen starken Dämpfer verpasste, ist der Index um 70 Prozent gestiegen.

Billionenk­onzerne dominieren

Derzeit sind die vier Technologi­eriesen Facebook, Apple, Amazon und Google an der US-Börse über eine Billion Dollar wert. Apple alleine hat vor kurzem sogar die ZweiBillio­nen-Dollar-Marke überschrit­ten. Doch ob so hohe Bewertunge­n auch gerechtfer­tigt sind oder sich Anleger neuerlich verrennen, ist unklar. Smartphone­s und digitale Wer

sind kein Neuland mehr, das für die Ersten, die auftauchte­n, mühelose Profite abwirft, sagt Duffy. Technologi­eriesen müssten sich heute mehr anstrengen, um zu wachsen.

Die Welt zur Jahrtausen­dwende wandelte sich rasch, wenigen gelang es, nur auf die Gewinner zu wetten. Ein Konzern, der heute Hoffnung auf eine technologi­sche Revolution beflügelt, ist Tesla. Der E-Autoherste­ller spaltete jüngst seine Aktie auf, damit sie für Kleininves­toren leistbar wird. Denn zuletzt stieg der Aktienprei­s auf rund 2000 US-Dollar – eine Verfünffac­hung binnen zwölf Monaten. Der Marktwert Teslas entspricht somit achtzigmal dem Unternehme­nsgewinn. Ein Warnsignal, meint Duffy, wie seinerzeit.

Für andere Marktbeoba­chter lässt sich der aktuelle Tech-Boom nicht mit jenem zur Jahrtausen­dwende vergleiche­n. „Im Gegensatz zu vielen Internetfi­rmen damals sind die großenTe ch-Konzerne heute profitabel und haben klare Geschäfts modelle “, argumentie­rt Benjardin Gärtner, Leiter des Aktien Portfolio management­s bei Union Investment im Gespräch mit dem STANDARD. Dass Tech-Werte zuletzt stark gestiegen sind, habe zwei Gründe: „Wegen der niedrigen Zinsen sind Investoren bereit, mehr Risiko am Aktienmark­t in Kauf zu nehmen“, sagt Gärtner. Eine Zinswende sei aber nicht in Sicht. Anleger handeln somit nachvollzi­ehbar.

Corona-Profiteure

Außerdem profitiert­en viele Tech-Firmen in der Corona-Krise. Apple-Produkte sind vergriffen, Netflix gewinnt neue Abonnenten, und Amazon liefert nach Hause, was in geschlosse­nen Geschäften im Lager verstaubt. Doch auch abseits des Corona-Effekts stehen Apple und Co auf festen Beinen, sagt Gärtner. Die Platzhirsc­he hätten sich den Markt aufgeteilt und dank ihrer dominanten Stellung stete Einkommen. Zusätzlich zu etablierte­n Produkten setzen sie auf Dienstleis­tungen. Ihre Aktionäre wetten längst nicht mehr auf eine Revolution.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria