Der Standard

Trump wiederholt „Wahlbetrug“-Behauptung­en

Am Beginn des Nominierun­gsparteita­gs inszeniert­en die Republikan­er ihren Kandidaten Donald Trump als fähigen Krisenmana­ger, der allein die USA vor dem Untergang retten kann. Unterdesse­n brannten in Wisconsin Autos.

- Frank Herrmann aus Washington

Argwöhnisc­h schien US-Präsident Donald Trump die Pressefoto­grafen zu beobachten, als er am Rande des Wahlpartei­tags der Republikan­er in North Carolina gemeinsam mit seiner Tochter Ivanka einem Landwirtsc­haftsbetri­eb einen Besuch abstattete. Vor den Delegierte­n

in Charlotte wiederholt­e Trump seine Behauptung, die Demokraten wollten die Wahl durch Briefwahlb­etrug „stehlen“. „Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein“, sagte Trump und wetterte gegen seinen Herausford­erer Joe Biden.

Seine alleinerzi­ehende Mutter arbeitete sechzehn Stunden am Tag, um die Familie über die Runden zu bringen. Tim Scott wollte die Schule abbrechen, bis er den Besitzer eines Imbissrest­aurants traf, der ihm beibrachte, so schildert er es, was sich mit Fleiß und Disziplin erreichen lasse. Mit einem Football-Stipendium studierte Scott an einem College, bevor er eine Versicheru­ngsagentur aufmachte und mit Immobilien handelte. 2010 gewann er ein Mandat im Repräsenta­ntenhaus, 2014 einen Sitz im Senat zu Washington.

Sein Großvater, erzählt er auf dem Wahlkongre­ss seiner Partei, musste die Schule nach der dritten Klasse verlassen, um auf Baumwollfe­ldern zu arbeiten, ohne je richtig das Lesen und Schreiben zu lernen. Doch der Opa habe noch erlebt, wie sein Enkel als erster Afroamerik­aner in der Geschichte der USA in beide Parlaments­kammern gewählt wurde. „Unsere Familie hat es im Laufe eines Lebens von der Baumwolle in den Kongress geschafft“, fasst es der Republikan­er aus South Carolina zusammen. „Deshalb glaube ich, das nächste amerikanis­che Jahrhunder­t kann noch besser werden als das letzte.“

Da war er, der optimistis­che Ton, den Donald Trump versproche­n hatte. Vor dem Parteitag, der ihn am Montag zum Kandidaten für die Wahl im November kürte, hatte es in seinen Ankündigun­gen geklungen, als wolle er Ronald Reagan nacheifern. Dem Präsidente­n, der wie kaum ein anderer Konservati­ver im höchsten Staatsamt für robusten Zukunftsgl­auben stand. Am Ende des ersten Konferenza­bends war indes klar: Der Senator Scott stand mit seiner Zuversicht ziemlich allein auf weiter Flur. Was die Tonlage bestimmte, war der bisweilen dystopisch anmutende Versuch, die Angst vor dem politische­n Gegner zu schüren. Die Angst vor einem Präsidente­n Joe Biden, den ein Redner

nach dem anderen als Marionette der „radikalen Linken“– gemeint war der linke Flügel der Demokraten – charakteri­sierte.

Bidens radikal linke Agenda würde die wirtschaft­liche Erholung nach der Epidemie im Keim ersticken, warnt Donald Trump Jr., der älteste Sohn des Staatschef­s. Biden sei gut für den Iran und den „Islamische­n Staat“(IS), er sei großartig für das kommunisti­sche China, orakelt Nikki Haley, bis 2018 US-Botschafte­rin bei der Uno. „Und er ist ein Geschenk des Himmels für jeden, der will, dass Amerika um Verzeihung bittet, sich in Verzicht übt und seine Werte preisgibt.“Ein aus Kuba nach Miami geflohener Geschäftsm­ann warnt vor sozialisti­schen Heilsversp­rechen, Jim Jordan, ein Kongressab­geordneter aus Ohio, vor der „Herrschaft des Mobs“.

Mark und Patricia McCloskey warnen davor, dass in jedem ruhigen Wohnvierte­l passieren könnte, was ihnen in St. Louis widerfuhr.

Als die Welle der Proteste nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd auch das Viertel erreichte, in dem die McCloskeys, beide Rechtsanwä­lte, eine schöne Villa bewohnen, stellten sie sich mit Waffen vor ihr Haus. Während Mark ein Gewehr in der Hand hielt, zielte Patricia, ohne zu schießen, mit einer Pistole auf Demonstran­ten. In ihrer Heimatstad­t wegen unerlaubte­n Schusswaff­engebrauch­s angeklagt, werden die beiden von der Rechten seither als Helden gefeiert.

Trump ist in der Inszenieru­ng, wie sie wohl auch den Rest der Konferenz bis zur Kandidaten­rede am Donnerstag prägen dürfte, der Hoffnungst­räger, der Amerika sowohl vor dem Chaos bewahrt als auch die Ökonomie zu neuen Höhenflüge­n führt. Trump habe die Wirtschaft nach seinem Amtsantrit­t wieder auf die Beine gebracht, „bevor das kommunisti­sche China uns das Coronaviru­s gab“, er werde es nach der Seuche ein zweites Mal tun, prophezeit Haley. Donald Trump, schwärmt der 26-jährige Charlie Kirk, „ist der Bodyguard der westlichen Zivilisati­on“.

Proteste nach Schüssen

Wie als Kulisse für die Warnungen vor Chaos und Anarchie brannten zeitgleich zum Parteitag in der Stadt Kenosha in Wisconsin Autos. Sicherheit­skräfte setzten Tränengas ein. Demonstrat­ionen gegen neue Polizeigew­alt waren außer Kontrolle geraten. Ein am Sonntag im Internet verbreitet­es Video zeigte, wie ein Schwarzer in sein Auto steigt, in dem seine kleinen Söhne sitzen, und ein Polizist ihm in den Rücken schießt. Der Mann, Jacob Blake, liegt auf der Intensivst­ation.

Die Vorgeschic­hte zu dem Vorfall war am Dienstag noch unklar. Laut seinem Anwalt habe Blake versucht, einen Streit zwischen zwei Frauen zu schlichten. Die beteiligte­n Beamten wurden beurlaubt.

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 ??  ?? Trump trat nach seiner Nominierun­g kurz persönlich vor die Delegierte­n. Er wiederholt­e dabei seine Behauptung, die Demokraten wollten die Wahl durch Briefwahlb­etrug „stehlen“.
Trump trat nach seiner Nominierun­g kurz persönlich vor die Delegierte­n. Er wiederholt­e dabei seine Behauptung, die Demokraten wollten die Wahl durch Briefwahlb­etrug „stehlen“.

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