Der Standard

ZITAT DES TAGES

Teamchef Franco Foda kann seinen Beruf wieder ausüben. Zwei Länderspie­le stehen an. Wegen Corona muss er auf Marko Arnautovic verzichten. Und seine Fußballer darf er nicht umarmen.

- INTERVIEW: Christian Hackl

„Auf Dauer gesehen brauchen wir die Begeisteru­ng und auch die Kritik der Medien.“

ÖFB-Teamchef Franco Foda über Geisterspi­ele im Profi-Fußball

Teamchef Franco Foda nominierte am Dienstag seinen Kader für die Nations-LeaguePart­ien am 4. September in Oslo gegen Norwegen und drei Tage später in Klagenfurt gegen Rumänien. Marko Arnautovic fehlt, Adrian Grbic (Lorient) und Christoph Baumgartne­r (Hoffenheim) debütieren. Die Mannschaft trifft sich am 31. August in Pörtschach.

STANDARD: Das letzte Länderspie­l ist fast 300 Tage her. Der Scherz sei erlaubt: Erinnern Sie sich überhaupt noch an Ihre Spieler?

Foda: Ja, schon. Meinem Trainertea­m und mir haben die Arbeit auf dem Platz und die sozialen Kontakte gefehlt.

STANDARD: Aufgrund der CoronaPand­emie mussten die Nationalte­ams hintansteh­en. Die nationalen Ligen und der Europacup wurden durchgepei­tscht. Kann dieser Bedeutungs­verlust wieder wettgemach­t werden? Foda: Das hat nichts mit Bedeutungs­verlust zu tun. Es ging darum, die Vereine am Leben zu halten. Wirtschaft­liche Gründe gibt es natürlich auch bei Nationalte­ams, aber ich denke, in dieser Phase musste man Lösungen finden, mit den alle zufrieden sein können. Im September, Oktober und November stehen auch wir wieder im Vordergrun­d. Das Nationalte­am ist für die meisten Fußballer immer noch das höchste Gut, es bleibt etwas Besonderes. Auch in Zeiten von Corona.

STANDARD: Sie hatten ja fast eine Form von Berufsverb­ot. Wie haben Sie die Zeit verbracht?

Foda: Berufsverb­ot hatte ich keines. Ja, die Länderspie­le, die EM sind ausgefalle­n. Wir konnten bis März unserer Arbeit ganz normal nachgehen, wir haben Matches besucht, Spieler gescoutet. Im Lockdown hat sich alles geändert, da gab es gar keinen Fußball, keinen Sport. Man hat gemerkt, wie wichtig der Sport für viele Menschen ist, wenn es um Begeisteru­ng, Emotion, Leidenscha­ft und die sozialen Aspekte im Stadion geht. Nach dem Lockdown gab es wenigstens Spiele im Fernsehen, die Einschaltq­uoten waren gut. Ich konnte zumindest wieder Partien in Österreich besuchen. Mit Maske. Ich bin der Bundesliga sehr dankbar, dass sie uns Karten zur Verfügung gestellt hat. Im Stadion hat man einen besseren Überblick, ein peripheres Sehen. Die deutsche Liga haben wir im Fernsehen verfolgt und analysiert. Es wurden Dateien von jedem Spieler angelegt. Wir sind bestens informiert.

STANDARD: Haben Sie während des Lockdowns an sich selbst neue Seiten entdeckt? Es soll ja Leute geben, die süchtig nach Rasenmähen geworden sind.

Foda: Ich war sehr viel spazieren, wie nie in meinem Leben zuvor. Normalerwe­ise bin ich ja an keinem Wochenende zu Hause. Ich war mit meiner Frau am Markt, ging mit ihr einkaufen, das war schön. Ansonsten habe ich wie viele andere Menschen Zeit gefunden, im Haus aufzuräume­n. Ich habe Trikots für einen guten Zweck versteiger­t, die sind im Keller aufgetauch­t. Man denkt nach, erfährt, was wirklich wichtig im Leben ist. Die Familie, aber das wusste ich schon vorher. Es wird einem nur noch klarer vor Augen geführt. Die Gesundheit zählt. Die Bodenständ­igkeit. Und dass du ein Dach über dem Kopf hast.

STANDARD: In dieser Zeit wurde Ihr Vertrag verlängert. Andere Leute haben ihren Job verloren, werden von Existenzän­gsten geplagt. Sie waren in einer privilegie­rten Lage, oder? Foda: Ich habe auch vor Corona betont, dass Fußballer sehr privilegie­rt sind. Man sollte immer über den Tellerrand blicken und dankbar sein. Aber wir alle müssen auch Leistung bringen.

STANDARD: Nun stehen die Partien in der Nations League an. Erst in Oslo gegen Norwegen, dann in Klagenfurt gegen Rumänien. Wie befürchtet sind es Geisterspi­ele. Was erwarten Sie? Foda: Uns wäre lieber, wenn Fans da wären. In Österreich hätte es ja die Möglichkei­t gegeben. Okay, die Uefa hat so entschiede­n, das muss man respektier­en, es ist besser als nichts. Auf Dauer gesehen brauchen wir die Begeisteru­ng und auch die Kritik der Medien. Wie müssen Schritt für Schritt in die Normalität zurückkehr­en. Es geht nicht von heute auf morgen, das sieht man an den steigenden Infektions­zahlen. Corona wird uns weiter begleiten.

STANDARD: Rechnen Sie mit zwei

Siegen?

Foda: Norwegen ist kompakt, robust. Rumänien hat quirlige Spieler, kombiniert. Die Länderspie­le sind extrem schwierig. Für alle. Die Rhythmen sind so unterschie­dlich, manche fangen mit der Meistersch­aft an, andere sind mitten in der Vorbereitu­ng oder kehren aus dem Urlaub zurück. Jene, die in der Champions League beschäftig­t waren, sind belastet. Normalerwe­ise sind um diese Zeit alle voll im Saft. Wichtig ist, dass wir uns wiedersehe­n, an unserer Spielidee feilen, uns neue Ziele setzen. Was im letzten Jahr war, ist Schnee von gestern.

STANDARD: Sie verzichten auf Marko Arnautovic.

Foda: Ja, man muss der Covid-19-Situation Rechnung tragen, da hilft kein Jammern. Marko käme zwar aus China raus, aber nicht mehr rein.

STANDARD: Champions-League-Sieger David Alaba steht vorerst im Aufgebot. Kommt er wirklich?

Foda: Vorweg: Wir können stolz auf David sein. Mit den Bayern zweimal die Champions League zu gewinnen ist außergewöh­nlich. Sollte er absagen, werden wir es mitteilen.

STANDARD: Adrian Grbic und Christoph Baumgartne­r debütieren.

Foda: Weil sie außergewöh­nliche Leistungen gezeigt haben.

STANDARD: Generell war das Niveau in der Bundesliga vor leeren Rängen nicht schlecht. Wie lange halten die Spieler diesen Zustand mental aus? Fußball wird ja in der und für die Öffentlich­keit betrieben, ist kein reiner Selbstzwec­k. Ein Sänger kann ja auch nicht nur in der Badewanne singen. Foda: Das Niveau war sehr gut. Die Spieler haben einen Job, in den Vereinen gibt es Mitarbeite­r, da geht es um Verantwort­ung. Es gab keine Alternativ­e. Champions und Europa League waren hochklassi­g. Vom Tempo her, manche trauten sich viel mehr zu, waren noch offensiver orientiert, das taktische Verhalten war top, es war alles da. Fans ausgenomme­n.

STANDARD: Aber irgendwann ist eine Grenze erreicht, oder?

Foda: Das weiß ich nicht. Momentan läuft es. Die Spieler haben das Gen, sie wollen gewinnen, an ihre Grenzen gehen. Sie wollen Titel. Die Zukunft müssen wir auf uns zukommen lassen. Ich kann aber nur betonen: Die Fans fehlen.

STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass die EM 2021 tatsächlic­h in zwölf Ländern ausgetrage­n wird?

Foda: Vom heutigen Tag gehe ich davon aus, es gibt keine neuen Nachrichte­n, uns sind die Hände gebunden, wir müssen die Vorgaben der Uefa akzeptiere­n.

STANDARD: Haben Sie schon überlegt, was Sie der Mannschaft beim ersten Beisammens­ein sagen werden? Foda: Ja. Es wird einen kurzen Rückblick und dann einen Ausblick geben. Es warten große Herausford­erungen. Man darf nicht jeden Einzelnen umarmen. Ich würde es gerne tun.

FRANCO FODA (54) ist seit November 2017 ÖFB-Teamchef.

„Die Gesundheit zählt. Und dass du ein Dach über dem Kopf hast.“

 ?? Foto: APA / Roland Schlager ?? Franco Foda glaubt, dass die Nationalte­ams bedeutend bleiben.
Foto: APA / Roland Schlager Franco Foda glaubt, dass die Nationalte­ams bedeutend bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria