Wiener Grüne drängen auf 35-Stunden-Woche
Die Grünen in Wien wollen eine 35-Stunden-Woche für alle Beschäftigten der Stadt. Das sei eine der Hauptforderungen für eine weitere rot-grüne Koalition, sagt Judith Pühringer. Die SPÖ würde hier „herumeiern“.
Wiens Grüne machen bei einem Thema Druck, das auch die Bundes-SPÖ unter Pamela Rendi-Wagner oder die Gewerkschaften trommeln. Es geht um eine Arbeitszeitreduktion auf eine 35-Stunden-Woche ohne Lohneinbußen für Arbeitnehmer. Konkret fordern die Grünen im Wahlkampf für die Wien-Wahl diese Maßnahme für alle rund 65.000 Beschäftigten der Stadt – von Mitarbeitern der Müllabfuhr bis zu Beschäftigten im Bereich Pflege, Kindergarten oder Mitarbeitern in der Verwaltung.
Zwar trete auch die Bundes-SPÖ für eine Arbeitszeitreduktion ein, sagt der grüne Klubchef David Ellensohn. „Aber dort, wo die SPÖ zuständig ist, nämlich in Wien, machen sie nichts“, kritisiert er im Gespräch mit dem STANDARD. „Die SPÖ könnte alles, was Rendi-Wagner fordert, bei den Beschäftigten der Stadt in Wien umsetzen. An uns als Koalitionspartner scheitert es sicher nicht.“
350 Millionen Euro Kosten
Laut einer Berechnung der Grünen würde die Maßnahme die Stadt rund 350 Millionen Euro kosten. Durch die Arbeitszeitreduktion würden aber auch zusätzliche 7000 Arbeitsplätze mitten in der CoronaKrise geschaffen werden können, sagt die Quereinsteigerin und grüne Listendritte Judith Pühringer.
Kürzere Wochenarbeitszeiten würden mehr Flexibilität für Arbeitnehmer bedeuten – gleichzeitig aber auch mehr Produktivität und weniger Krankenstände, was wiederum dem Arbeitgeber zugutekomme. Vor allem Frauen, die das Thema Teilzeit besonders betrifft, würden davon profitieren, sagt Pühringer. Für ihren Antritt bei der Wien-Wahl legte sie übrigens die Geschäftsführung beim Netzwerk Arbeit plus sowie ihre Tätigkeit in der Armutskonferenz zurück.
1750 Euro Mindestlohn
Auch die langjährige grüne Forderung nach einem Mindestlohn von 1750 Euro brutto bleibt weiter aufrecht. Ellensohn schätzt, dass bei den Beschäftigten der Stadt Wien aber nur noch „ein paar tausend Mitarbeiter“unter diesem Wert verdienen würden. Die 35-StundenWoche für alle Mitarbeiter in Wien habe größere Auswirkungen und könnte laut Ellensohn „schneller umgesetzt werden“.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte am Montagabend im ORFSommergespräch gemeint, dass es in ihrer Partei für die Vier-Tage-Woche und für einen 1700-Euro-Mindestlohn eine breite Mehrheit gebe. Eine Maßnahme würde demnach nicht ausreichen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern und Österreich aus der Krise zu führen. Die Vier-Tage-Woche müsse aber ein freiwilliges Angebot an Unternehmen sein, meinte Rendi-Wagner. Für die Stadt Wien als Arbeitgeber könnten SPÖ und Grüne eine politische Entscheidung treffen, meinte Ellensohn: „Machen wir es dort, wo wir es auch umsetzen können.“
Die Wiener SPÖ reagierte eher verhalten auf den grünen Vorstoß zur 35-Stunden-Woche. Im Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky wurde auf den „sehr hohen Stellenwert“der Sozialpartnerschaft verwiesen. „In dieser Tradition werden personalpolitische Zielsetzungen gemeinsam und solidarisch diskutiert. Dazu gehört auch die Frage der Arbeitszeit, die immer wieder Teil sozialpartnerschaftlicher Gespräche ist.“Für die Grünen ist die 35-Stunden-Woche jedenfalls „definitiv eine unserer Hauptforderungen“bei möglichen Verhandlungen für eine Fortsetzung der rotgrünen Koalition, sagte Pühringer dem STANDARD. Die SPÖ würde bei dieser Frage bislang „herumeiern“.
Stille Grüne im Bund
Die Grünen befinden sich freilich auch in einer Bundesregierung mit der ÖVP. Und in dieser sind die Grünen verhältnismäßig still, was die grüne Forderung nach einer 35Stunden-Arbeitswoche betrifft.
Sozialsprecher Markus Koza bezeichnete zwar eine Arbeitszeitverkürzung in puncto besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie einer faireren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern als „unumgänglich“. Im Bund gebe es für diesen Vorstoß aber mit der ÖVP keine Mehrheit. „Unser Koalitionspartner ist für eine Arbeitszeitverkürzung nicht zu haben.“Das habe sich bei den Koalitionsverhandlungen deutlich gezeigt.