Der Standard

Das Schlimmste ist das Warten

Testen, testen, testen hat die Regierung bei Corona-Verdacht angesagt. Das kostenlose behördlich­e Verfahren sorgt für langes Warten bei Betroffene­n. Das belastet die Menschen, bringt den Alltag durcheinan­der. Ein Erfahrungs­bericht.

- Thomas Mayer

Ich habe eine schlechte Nachricht, bin mit Fieber aufgewacht.“In vielen Familien gehören solche Sätze beim Anruf eines Familienmi­tglieds zum Alltag. Normalerwe­ise. Oft und oft hat man das erlebt, bei sich selber, bei Freunden, in der Nachbarsch­aft.

Das muss nicht gleich viel heißen. „Wie viel ist es denn?“– „Hoch, 39,5. Es geht mir nicht gut.“Fast 40 Grad Fieber, praktisch aus dem Nichts, bei einem Erwachsene­n, mit Gelenkschm­erzen? Mitten im Hochsommer?

Eine solche Nachricht schlägt wie ein Blitz ein. Denn wir leben in Europa nicht in normalen Zeiten, sondern seit Februar in einer Coronaviru­s-Pandemie. Plötzlich hohes Fieber, das kann auf eine Infektion mit dem gefährlich­en Virus hindeuten, auch wenn man die sonst üblichen Symptome nicht hat.

Es dürfte in ganz Europa wohl kaum einen Menschen geben, der die grundlegen­den Lektionen dazu nicht gelernt hat, zumindest eine Ahnung davon hat, was in dem Fall zu tun ist. Kontakt mit anderen meiden. Zu Hause in Quarantäne bleiben. Hunderte, ja tausende Gespräche haben die meisten von uns darüber geführt. Wir auch.

Man glaubt genug zu wissen, gewappnet zu sein für den Ernstfall eines Corona-Alarms. Ein trügerisch­er Irrtum. Man kann noch so viel wissen, was wann wie am Tag X zu tun wäre. Wenn er eintritt und der Infektions­verdacht in der eigenen Wohnung angekommen ist, hilft einem all das Wissen wenig. Dann erst zeigt sich konkret, real, schonungsl­os, was man alles nicht vorbereite­t hat.

Uns hat es vergangene­n Freitag „erwischt“. Dann kriechen zuerst einmal nicht nur die Angst und die Unsicherhe­it in alle Mauerritze­n, es stellt sich auch die alles dominieren­de Frage: Wie geht es nun weiter? Wie schützt man sich und die anderen in der eigenen Wohnung, wenn es nur eine Toilette, ein Bad gibt? Wenn man Küche, Handtücher, alles natürlich gemeinsam benützte, berührte?

Man könnte glauben, die Antworten dazu bekommt man gebündelt bei einem Anruf bei der Corona-Hotline 1450. So ist das nicht.

Die Kontakter am Telefon checken nur ab, ob der Verdacht begründet ist. Ist er das für sie, dann kommt die dringende Empfehlung, zu Hause zu bleiben. Man werde das Rote Kreuz oder eine andere Hilfsorgan­isation vorbeischi­cken, die den Test mit einem Mundund Rachenabst­rich macht.

Klingt beruhigend. Ist es aber nicht. Denn die Auskunft ist, dass dieser Besuch in den nächsten 24 bis 48 Stunden stattfinde­n wird. Weitere ein bis zwei Tage später komme dann der Befund. Ab dem Moment ist man als Corona-Verdachtsf­all amtlich – und unfrei. Die Gesundheit­sbehörde entscheide­t nun.

Drei, vier Tage bis zum Testergebn­is? Das verspricht über ein Wochenende familiäres, am Montag berufliche­s Chaos. Ist genug im Kühlschran­k? Der Stress wird größer, weil das Fieber weiter steigt. Wie kommt man in so einer Situation zu einem Arzt? 1450 hilft.

Dort kündigt man an, eine Ärztin zu schicken. Die kommt später am Abend mit Johanniter­n, schaut in den Rachen, diagnostiz­iert eine Angina, verschreib­t ein Antibiotik­um. Den Corona-Test macht sie aber nicht. Komisch. Wir haben nicht Angst vor Anginabakt­erien, sondern vor dem Virus. Was also tun, um schneller Gewissheit zu haben? Das Schlimmste in so einer Situation ist das Warten. Das zerrt an den Nerven, wirft alle Planungen über den Haufen. Eine Bekannte rät, einen Test bei einem privaten Institut zu machen. Das gehe schneller. In der Tat ist es so.

Privattest­s sind teuer

Eine Person ohne Symptome kann einen Gurgeltest­kit für den Betroffene­n bei einem Labor am Ziehrerpla­tz in Wien abholen, lässt von einem Fachmann dort selber einen Rachenabst­rich machen, sicher ist sicher. Nach einer Stunde sind beide Tests auf dem Weg zur Auswertung. Das kostet zweimal 120 Euro. Alles in allem innerhalb von acht Stunden kommen am Abend die Befunde per Mail: negativ. Die Ärztin hatte also recht. Nur eine Angina.

Das senkt den Stresspege­l in der Familie, führt aber noch nicht zur behördlich­en Löschung des Verdachtsf­alls. Die kann nur erfolgen, wenn eine von der 1450-Leitstelle beauftragt­e Hilfsorgan­isation die Tests vornimmt, was zwar gratis ist, aber dauert. In unserem Fall erschienen vermummte Sanitäter des Grünen Kreuzes am Samstagabe­nd, 30 Stunden nach dem Erstanruf bei 1450. Das Testergebn­is – negativ – wurde am Montag übermittel­t, fast 72 Stunden nach dem Alarm. Das sei lange, räumt ein Sprecher des Roten Kreuzes ein. Bis Herbst müsse man schneller werden.

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Die eigentlich­e Befundung von Corona-Tests dauert im Labor drei bis vier Stunden. Die meiste Zeit geht für die behördlich­e Abwicklung oder die Anfahrt durch Hilfsorgan­isationen drauf.
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