Der Standard

Gedanken über die immer mehr vernetzte Welt

Das Buch zu den Technologi­egespräche­n widmet sich dem Generalthe­ma „Komplexitä­t“

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Alle Jahre wieder Forum Alpbach, alle Jahre wieder Technologi­egespräch. Der Almauftrie­b der Denker, Forscher, Politiker und Adabeis – heuer aufgrund von Corona in der Hauptsache mit Onlinedisk­ussionsfor­maten – wird nun auch schon seit einiger Zeit von einem Jahrbuch begleitet: Technologi­e im Gespräch. Der Sammelband widmet sich diesmal dem Thema Komplexitä­t. Dazu kann man im Jahr der Corona-Pandemie einiges sagen. Krisen bestimmen den politische­n und wirtschaft­lichen Alltag. Viele Menschen nehmen die Welt als zunehmend komplex und undurchsic­htig wahr.

Der vorliegend­e Band gibt einen Überblick darüber, wie die Wissenscha­ft den um sich greifenden Verflechtu­ngen in der zunehmend digitalisi­erten Welt versucht, Herr zu werden. Das Bild des berühmten Flügelschl­ags eines Schmetterl­ings an einem Ort, der mitunter woanders einen Sturm mitauslöse­n kann, hat es zwar vielfach in die Köpfe einer breiteren Öffentlich­keit geschafft, die Mechanisme­n dahinter bleiben dem menschlich­en Verstand intuitiv jedoch meist verschloss­en. Sich nicht linear aufschauke­lnde Entwicklun­gen, Kippfatale­r punkte, die ein System rasch in andere Richtungen driften lassen, oder gleichzeit­ig ablaufende Prozesse, die zu völlig neuen Phänomenen führen, entziehen sich mitunter nachhaltig dem Hausversta­nd.

„Komplexitä­t ist eigentlich etwas Schrecklic­hes“, sagte der Leiter des Compexity Science Hub (CSH) Vienna, Stefan Thurner, weil sie schlichtwe­g schwer in den Griff zu bekommen sei. Trotzdem hat für Thurner sein fachübergr­eifendes Forschungs­gebiet das Zeug dazu, zu einem neuen wissenscha­ftlichen Paradigma beziehungs­weise einer „tragfähige­n Sichtweise auf die Welt zu werden“.

Big Data braucht Theorie

In dem Jahrbuch gibt Thurner im Interview mit dem Wissenscha­ftsjournal­isten und Buchautor Martin Kugler eine Einführung in die vielschich­tige Thematik. Darin erklärt er auch, warum er mit dem sinngemäße­n Ausspruch „Big Data ohne große Theorie ist großer Unsinn“d’accord geht, weil das reine Suchen der multiplen, stecknadel­großen Verbindung­en im Datenheuha­ufen nicht wirklich zu einer Erkenntnis führen kann.

Darüber hinaus legt die Wissenscha­ftsforsche­rin Helga Nowotny ihre Sicht auf eine immer mehr vernetzte Welt, auch angesichts der Corona-Krise, dar. Der Rektor der Universitä­t für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast, wirft sich wiederum für mehr Trans- und Interdiszi­plinarität, eine echte Verbindung zwischen wissenscha­ftlicher und künstleris­cher Praxis und ein Umdenken an den Hochschule­n in die Bresche. Dazu kommen vielfältig­e Anwendungs­beispiele hinsichtli­ch des wissenscha­ftlichen Umgangs mit Komplexitä­t, die von gesellscha­ftlichen Phänomenen über die durchgängi­g stark präsente Corona-Pandemie bis zur Technologi­eentwicklu­ng reichen.

Für den wissenscha­ftlichen Leiter des federführe­nd mit der Organisati­on der Technologi­egespräche betrauten AIT und Ko-Herausgebe­r Wolfgang Knoll gibt es zwischen „Komplexitä­t“und dem Thema der Gespräche „Fundamenta­ls“große Überschnei­dungen. Das liegt wohl in der Natur der Grundlagen dieser Welt: hoch komplex. (red, APA)

Hannes Androsch, Wolfgang Knoll, Anton Plimon (Hg.), „Technologi­e im Gespräch: Komplexitä­t“. 211 Seiten. Holzhausen-Verlag

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