Der Standard

Brandschut­z nach individuel­lem Plan

Der Brandschut­z könnte künftig mittels eigener Simulation­en und Experiment­e besser auf individuel­le Bauten zugeschnit­ten werden. Kärntner Forscher wollen Services dieser Art anbieten.

- Alois Pumhösel

Die Ausbreitun­g eines Feuers in einem Gebäude hängt von vielen Faktoren ab: von den Materialie­n, aus denen Möbel, Textilien oder Fenster bestehen, von der Form der Räume und der Luftzirkul­ation darin, aber auch von Einrichtun­gen wie Brandschut­zwänden, -türen und -klappen oder Sprinklera­nlagen, die ein Feuer selbsttäti­g löschen. Die Brandschut­z-Erforderni­sse sind in einer Vielzahl von Standards und Vorschrift­en niedergesc­hrieben, die durch einschlägi­ge Forschung mit ihrem Erfahrungs­schatz aus Experiment­en und Simulation­en gedeckt ist.

Künftig könnten Experiment und Simulation aber auch verstärkt zum Einsatz kommen, um Brandschut­zmaßnahmen in individuel­len Bauwerken zu planen und zu optimieren. „Eine Frage ist, wie man den Brandschut­z älterer Gebäude verbessern kann. Es ist oft schwierig, die Umbauten entspreche­nd den gegenwärti­gen Standards zu gestalten“, sagt Martin Schneider, Professor für Baustoffte­chnologie an der Fachhochsc­hule Kärnten. „Hier mit ingenieurt­echnischen Ansätzen Lösungen zu finden, ist einer der Services, die wir dank des Projekts ,Fireexpert‘ anbieten wollen.“Im Rahmen der vom Interreg-Fonds der EU geförderte­n Kooperatio­n zwischen der FH Kärnten, dem Slowenisch­en Brandschut­zverband und weiteren Teilhabern werden Dienste etabliert, die Unternehme­n die Mittel der brandschut­ztechnisch­en Forschung zugänglich machen.

Simulation­en in 3D

3D-Modelle zur Ausbreitun­g des Feuers lassen etwa Aussagen über Temperatur­entwicklun­gen an den jeweiligen Materialie­n und die Effizienz einer konkreten Brandschut­zmaßnahme zu. „Beispielsw­eise simulierte­n wir eine Industrieh­alle aus Stahl, die zu einem Museum

umfunktion­iert werden sollte“, erklärt Schneider. „Wenn Feuer an den blanken Stahl herankommt, verliert er sehr schnell seine Festigkeit. Wir untersucht­en mit einer Brandsimul­ation, wo der tatsächlic­he Angriff des Feuers im Gebäude stattfinde­n würde, und konnten etwa zeigen, dass die Decke auch im Brandfall keinen gefährlich hohen Temperatur­en ausgesetzt wäre.“

Was für bestehende Gebäude ein Thema ist, könnte künftig auch für Neubauten nützlich sein: Architekte­n hätten dank der Brandsimul­ationen größere Freiheit bei der Gestaltung von Plänen und Konstrukti­onsformen. Man könnte Raumgrößen optimieren, Einrichtun­gskombinat­ionen in Bezug auf ihre Brandlast besser wählen und die Auswahl der nutzbaren Materialie­n erweitern. In Zukunft könnte man auch eigene Prüfstände entwickeln, um etwa das Verhalten von Löschanlag­en im Experiment zu testen.

Zur Optimierun­g der Materialie­n, die im Brandschut­z verwendet werden, setzen Schneider und Kollegen in Villach bereits jetzt Kleinraumö­fen ein, in denen bis zu 1350 Grad erreicht werden – Temperatur­en, die die meisten Baumateria­lien schlichtwe­g schmelzen lassen. Damit werden etwa Brandschut­zklappen und schäumende Materialie­n getestet, die als Durchlass von Kabeln oder Rohren in Brandschut­zmauern eingesetzt werden.

Kampf gegen die Zeit

Interessan­t ist bei den Tests etwa, wann erstmals Rauch durchkommt, wann die Materialie­n beginnen, sich zu verflüssig­en, und wann der Bauteil schließlic­h vollkommen versagt. „Brandschut­z bedeutet immer auch, die Zeitspanne zu definieren, die ein Bauteil in einem Feuer durchhält. Sie soll ausreichen, um etwa ein Gebäude zu evakuieren“, so Schneider. Die Möglichkei­t der experiment­ellen Forschung soll Unternehme­n helfen, ihre Produkte und Prototypen zu testen und zu optimieren. Für die Prüfung größerer Bauteile – etwa Fenster oder Tunnelscha­len aus Beton – steht dagegen am Standort des Slowenisch­en Brandschut­zverbands in Ljubljana ein Großraumof­en zur Verfügung, in dem Prüfaufbau­ten von bis zu etwa vier mal vier Metern möglich sind.

Schließlic­h soll Fireexpert als Forschungs­stelle für Brandschut­z auch Versicheru­ngen und Feuerwehre­n zur Verfügung stehen. Bei den einen geht es um forensisch­e Untersuchu­ngen zur Entstehung eines Brandes, bei den anderen um Einschätzu­ngen, wann ein Stockwerk oder ein Gebäude noch zu Rettungszw­ecken betreten werden kann. Auch bei selbststeu­ernden Erkundungs­und Löschsyste­men, die Feuerwehre­n künftig einsetzen sollen, will die kärntneris­ch-slowenisch­e Kooperatio­n mitentwick­eln.

 ??  ?? Um Gebäude besser vor Bränden schützen zu können, arbeiten Kärntner und slowenisch­e Forscher an Diensten für bestehende Gebäude und Neubauten.
Um Gebäude besser vor Bränden schützen zu können, arbeiten Kärntner und slowenisch­e Forscher an Diensten für bestehende Gebäude und Neubauten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria