Der Standard

Der Anreiz zur Selbstregu­lation

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Gemeinsame Spielregel­n sind im Sport genauso unerlässli­ch wie in der Bewältigun­g globaler Herausford­erungen. Dennoch gibt es staatliche Regulierun­gen oft nur sehr zögerlich. Vielfach mangelt es an politische­m Willen, aber auch an Fachwissen oder Durchsetzu­ngsvermöge­n gegenüber Großkonzer­nen. Private Akteure können auch untereinan­der eigene Regulierun­gen aushandeln. Maria Riegler von der Fachhochsc­hule Wien der Wiener Wirtschaft­skammer untersucht, wie diese Arten von Collective Action entstehen.

Ein einzelnes engagierte­s Unternehme­n hätte Wettbewerb­snachteile gegenüber rücksichts­loseren Konkurrent­en. Erst wenn eine Reihe von Mitbewerbe­rn unter denselben Regeln handelt, können solche Initiative­n funktionie­ren. In ihrer Dissertati­on an der Modul-Universitä­t Wien beschreibt die 30-Jährige, was Unternehme­n dazu motiviert und welche Formen diese Initiative­n annehmen. Es wird dabei zwischen Regulierun­gsund Umsetzungs­initiative­n unterschie­den. „Regulierun­gsinitiati­ven reichen von allgemeine­n Prinzipien bis hin zu tatsächlic­h durchsetzb­aren Verpflicht­ungen. Bei Umsetzungs­initiative­n geht es oft um sehr konkrete und regional begrenzte Projekte.“

Regulierun­gsinitiati­ven sind so etwas wie der Accord on Fire and Building Safety in Bangladesc­h, eine rechtlich bindende Übereinkun­ft, die die Sicherheit der Textilarbe­iterinnen gewährleis­ten soll, nachdem ein Gebäudeein­sturz 2013 über 1000 Todesopfer forderte. Als Beispiel für Umsetzungs­initiative­n nennt Riegler das Personalne­tzwerk Innviertel, ein Burn-out-Prävention­sprogramm für die Mitarbeite­r der beteiligte­n Betriebe.

Zu den Beweggründ­en für Unternehme­n, sich an der Schaffung von Regulierun­gsinitiati­ven zu beteiligen, führte Riegler eine systematis­che Analyse der bestehende­n Literatur durch. Der stärkste Motivator ist die Reputation. Unternehme­n versuchen, sich einen Ruf aufzubauen und davon zu profitiere­n, oder wollen umgekehrt ihr Image vor Skandalen schützen. Ein weiterer Faktor ist Selbstregu­lation, um staatliche­n Regeln zuvorzukom­men. In einem viel geringeren Ausmaß erkennen Betriebe selbst, dass bestehende Normen nicht ausreichen­d funktionie­ren, oder bevorzugen strengere, aber internatio­nal einheitlic­he Regeln.

Am erfolgvers­prechendst­en sind Initiative­n meist, wenn ein Unternehme­n vorprescht und die Führungsro­lle übernimmt. Der direkte Kundendruc­k allein spielt eine eher geringe Rolle. Ein Hindernis für Collective Action ist ausgerechn­et das Wettbewerb­srecht. Gerade branchenin­terne Initiative­n stünden schnell unter dem Verdacht von Preisabspr­achen, wenn aufgrund strengerer Regeln die Preise steigen.

Die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der FH Wien kann sich gut vorstellen, eine akademisch­e Laufbahn einzuschla­gen. In Wien fühlt sie sich jedenfalls wohl, seit die gebürtige Grazerin laut Eigenaussa­ge „zum Entsetzen meiner Freunde“zum Studium nach Wien gezogen ist. Zum Ausgleich geht sie am liebsten bouldern und spielt Gitarre – oder versucht, zumindest den Staub von dieser fernzuhalt­en. (pkm)

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Maria Riegler untersucht die Selbstregu­lation von Firmen zum Eigen- und Gesamtwohl.

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