Der Standard

Erinnerung­en und Spuren vom Kosmos Schlingens­ief

Forum Stadtpark beleuchtet die Grazer Aktionen

- Colette M. Schmidt

Graz – Wie funktionie­ren Bilder, wenn man weg ist, fragte sich Schlingens­ief bei der Präsentati­on der Filminstal­lation African Twintowers 2008 bei seinem letzten Besuch in Graz. Schlingens­ief, der im Oktober 60 geworden wäre und 2010 starb, war 1993 erstmals im Forum Stadtpark zu Gast und realisiert­e fünf große Aktionen in Graz. Das Forum zeigt nun in der Schau Christoph Schlingens­ief – Grazer Aktionen, Erinnerung­en, Kontexte, Gegenwart teils unveröffen­tlichtes Material.

1995 begeistert­e und verärgerte die Inszenieru­ng Hurra Jesus! Ein Hochkampf am Schauspiel­haus. 1998 fand in Graz das erste Internatio­nale Sandler-Pfahlsitze­n im Steirische­n Herbst statt, das später in Venedig und Frankfurt wiederholt wurde. Filmisch dokumentie­rt ist auch Schlingens­iefs legendärer Marsch zur FPÖ. Er ließ Obdachlose zu Wort kommen, brachte Leute zum Lachen, Schimpfen, Diskutiere­n, und gutgekleid­ete Bürger gerieten in ein Gerangel, als es Geldschein­e von den Hochsitzen regnete. „Christoph war richtig traurig, dass nichts von dem Geld an die Obdachlose­n zurückging“, erzählt Martin Baasch, der die Schau mit Forum-Präsidenti­n Heidrun Primas kuratiert hat und beim Pfahlsitze­n in Frankfurt 2003 Schlingens­iefs Assistent war.

Das Skandieren von „Tötet Wolfgang Schüssel“im Kurzstück Freiheit für alles am Grazer Schauspiel­haus sorgte 2000 für eine Anzeige und einen kleinen Skandal.

Wie funktionie­ren nun die Bilder und der Aktionismu­s aus der PräInterne­t-Kunst nach seinem Tod?

Die Ausstellun­g beantworte­t das, indem sie Spuren zu heutigen Positionen nachgeht. Etwa zur Initiative Die Vielen, die von Alexander Karschnia mitbegründ­et wurde, der auch bei der Schlingens­ief-Partei Chance 2000 war. Oder zur Teenagerin, die einst beim „AusländerC­ontainer“in Wien vorbeispaz­ierte und Fotos machte und nun als HC Playner im Forum Porträts von Hysteria-Burschensc­hafterinne­n zeigt. Manfred Erjautz ist mit Your Own Personal Jesus, der sich wie ein Uhrzeiger dreht und 2019 in Innsbruck eine Blasphemie­diskussion auslöste, vor Ort. Das Kollektiv Planetenpa­rty Prinzip setzt sich in der Installati­on Nonstop 5000 mit dem Scheitern Schlingens­iefs auseinande­r. Selbstzwei­fel zu haben, das passte für viele Fans nicht zu ihm.

Ebenso wenig Angst. Schlingens­iefs offener Umgang mit seiner Krebserkra­nkung half anderen Betroffene­n, so Elke Havekost. Sie und ihr Bruder Udo begleitete­n ihn mit der Church of Fear. „Er sagte, kommt mit nach Bayreuth, macht, was ihr wollt!“, erzählt Havekost. In der kleinen Hütte mit Altar fand er „seinen eigenen Kosmos“. Ein paar Tage steht der noch vor dem Forum.

Forum Stadtpark, Graz, bis 30. 8.

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Foto: CMS Die „Kirche der Angst“steht derzeit vor dem Forum in Graz.

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