Der Standard

Blaue Vereine handelten legal

Keine Anklage wegen FPÖ-nahen Netzwerks

- Fabian Schmid, Renate Graber

Wien – Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft hat in der Causa Vereine ihre Ermittlung­en gegen ehemalige FPÖ-Politiker eingestell­t. Vermutet worden war, dass auf diese Art heimlich die Partei querfinanz­iert werden sollte. Offenbar wurden dafür keine ausreichen­den Beweise gefunden. Gegen FPÖChef Norbert Hofer wird in verwandter Sache weiter ermittelt, ebenso gegen seinen Vorgänger Heinz-Christian Strache zu Spesen, Casinos und Bestechung – es gilt die Unschuldsv­ermutung. (red)

Dass sich Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und die FPÖ gleichzeit­ig über etwas freuen, kommt nicht mehr allzu oft vor. Eine knappe Benachrich­tigung der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) hat das aber geschafft: Das Ermittlung­sverfahren in Bezug auf das blaue Vereinsnet­zwerk ist eingestell­t worden, war darin zu lesen.

Einen raschen Abschluss des Verfahrens hatten Beteiligte schon vermutet, eine komplette Einstellun­g allerdings nicht. Noch im Frühjahr war in Ermittlung­sberichten zu lesen gewesen, dass die Vereine wie das Institut für Sicherheit­spolitik oder Patria Austria aufgesetzt worden sein sollen, um „finanziell­e Zuwendunge­n für die FPÖ respektive HeinzChris­tian Strache zu lukrieren“.

Die damalige Parteispit­ze in Form von Strache und Gudenus hatte aktiv um Spenden für die Vereine geworben und sich in Chatnachri­chten über eingegange­ne Zahlungen gefreut. Im Ibiza-Video hatte Strache 2017 wiederholt davon gesprochen, dass Zuwendunge­n für die FPÖ über Vereine „am Rechnungsh­of vorbei“geschleust werden können.

Prominente Förderer

Allerdings ist es den Ermittlern nicht gelungen, Geldflüsse von den einzelnen Vereinen zur FPÖ oder zu deren Vertretern festzustel­len. Schon rasch nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos hatten die Vereine Berichte externer Wirtschaft­sprüfer veröffentl­icht, laut denen keine Geldflüsse in Richtung Partei stattgefun­den haben.

Den Vereinen spendeten beispielsw­eise der Waffenhers­teller Steyr Arms (75.000) und Firmen aus dem Imperium der Industriel­lenfamilie Turnauer (475.000 Euro).

Mit dem Institut für Sicherheit­spolitik (ISP) kooperiert­e der Glücksspie­lherstelle­r Novomatic (seit dem Jahr 2018 exakt 200.000 Euro), eine Förderung gab es vom Verteidigu­ngsministe­rium – abgeschlos­sen noch unter Hans Peter Doskozil (SPÖ). Das ISP war auch der aktivste Verein im blauen Netzwerk. Er veranstalt­ete Workshops, Konferenze­n und veröffentl­ichte Studien. Die anderen Vereine traten öffentlich kaum in Erscheinun­g. Sie waren laut Gudenus als Thinktanks geplant worden.

Entlastung­szeuge Ibiza-Video

Laut Straches Anwalt Johann Pauer habe die WKStA nun „zahlreiche bisher nicht veröffentl­ichte Passagen des Ibiza-Videos zum Ermittlung­sakt genommen“. Diese hätten seinen Mandanten „nicht nur entlastet, sondern ergeben auch ein völlig anderes Bild als jenes, welches durch die von Süddeutsch­er Zeitung und Spiegel ausgewählt­en Passagen vermittelt wurde“. Aber auch das gesamte Transkript des Ibiza-Videos, das dem STANDARD vorliegt, zeigt Korruption­sinteresse des damaligen Parteichef­s. Dass dieser sich zierte, einen fixen Deal mit der falschen Oligarchen­nichte abzuschlie­ßen, hatten auch Spiegel und Süddeutsch­e in ihrer Berichters­tattung regelmäßig erwähnt.

Blaue Erleichter­ung

Die Einstellun­g belege „nun eindrucksv­oll die in der Zweiten Republik beispiello­se Hetzkampag­ne gegen meine Person“kommentier­te Strache, der sich bei den Behörden für ihr „vorbildlic­hes und rechtsstaa­tlich korrektes Vorgehen“bedankte.

Auch Johann Gudenus freute sich, „dass die Ermittler nach 15 Monaten das erkannt haben, was von Anfang an klar war: Spenden an Vereine und das Bitten um solche ist nicht illegal und schon gar nicht strafrecht­lich relevant – auch nicht wenn es um ein freiheitli­ches Umfeld geht“.

„Politisch Genugtuung“verspürte auch Herbert Kickl (FPÖ), der darauf verwies, wegen der IbizaErmit­tlungen von der ÖVP aus dem Innenminis­terium gedrängt worden zu sein – für Kickl der wahre Grund für das Platzen der türkis-blauen Koalition. Ebenso erleichter­t gab sich die FPÖ Wien.

Allerdings ist es keineswegs so, dass nun alle durch das Ibiza-Video ausgelöste­n oder intensivie­rten Ermittlung­en beendet sind. Auch im breiteren Themenfeld Vereine wird noch ermittelt, und zwar gegen FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die WKStA prüft hier, ob Vereinsspe­nden des Unternehme­rs Siegfried

Stieglitz einen Zusammenha­ng mit dessen Bestellung als AsfinagAuf­sichtsrats­chef haben. Das Büro Hofer geht hier ebenfalls von einer raschen Einstellun­g aus, es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Strache noch Beschuldig­ter

Auch Strache hat noch eine Reihe von anderen Verfahren am Hals: Seine Ex-Partei hat sich erst unlängst dem Verfahren wegen Untreue angeschlos­sen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Spesenaffä­re: Enge Ex-Mitarbeite­r Straches hatten ausgesagt, ihr Chef habe Spesenbele­ge falsch abgerechne­t; er bestreitet das. Ermittelt wird auch in der Causa Privatklin­iken: Hier steht im Raum, dass sich Strache wegen persönlich­er Vorteilsna­hme für eine Gesetzesän­derung stark gemacht hat, die der Privatklin­ik seines Freundes Walter Grubmüller Vorteile gebracht hat.

Gesetzesän­derungen

Über all dem schwebt natürlich noch der große Brocken CasinosAff­äre. Hier sind nicht nur Strache und Gudenus Beschuldig­te, sondern auch mehr als ein Dutzend weitere (Ex-)Politiker und Manager. Mit einem Abschluss dieser Ermittlung­en ist erst in ferner Zukunft zu rechnen, prognostiz­ieren Kenner der Materie. Politisch bleibt das blaue Vereinswes­en allerdings weiterhin interessan­t, kündigte die politische Konkurrenz an: Man werde sich im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss auch künftig der Materie annehmen, hieß es etwa vonseiten der SPÖ und der Neos. Das Justizmini­sterium erarbeitet außerdem derzeit schärfere Korruption­sgesetze. Diese sind auch als Reaktion auf Ibiza zu verstehen.

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Haben sich nicht mehr viel zu sagen: Die einst unzertrenn­lichen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus bei ihren Auftritten im U-Ausschuss.

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