Der Standard

„Du, bitte, in Zukunft mach’s differenzi­erter.“

Heinz-Christian Strache bleibt seiner Opferrolle treu und rechnet damit, dass die Ermittlung­en gegen ihn noch Jahre dauern. Dass sich das Team HC Strache irgendwann wieder mit der FPÖ zusammentu­t, schließt er aber nicht aus. Natürlich ist die Kontoöffnu­ng

- INTERVIEW: Gabriele Scherndl

Was Heinz-Christian Strache seiner Parteikoll­egin Christina Kohl nach ihren antisemiti­schen Aussagen geraten hätte

Auf dem Tisch liegt ein FPÖFeuerze­ug, an der Wand hängt ein Foto Heinz-Christian Straches aus seinen Zeiten als Freiheitli­cher. Nun kämpft er als Spitzenkan­didat des Teams HC Strache bei der Wien-Wahl gegen seine ehemalige Partei dafür, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Im Interview spricht Strache über Spesen, sein Konto und antisemiti­sche Äußerungen einer Kandidatin – und darüber, dass eine Wiedervere­inigung mit den Blauen nicht ausgeschlo­ssen ist.

STANDARD: Bei der letzten WienWahl hatten Sie Chancen auf den Bürgermeis­ter, nun müssen Sie um den Einzug zittern. Ist das Original doch nicht so zugkräftig?

Strache: Schon, denn wir haben seit meiner Überlegung, mich für mein Comeback zu entscheide­n, erlebt, welche Dynamik wir zustande bekommen haben. Wir haben seitdem politisch mehr erreicht als so manche Mitbewerbe­r in den letzten drei Jahren.

STANDARD: Dennoch rechnen Umfragen mit dem Bruchteil früherer Ergebnisse. Liegt das an Ibiza, an den Spesen oder daran, dass Sie keine FPÖ mehr im Rücken haben? Strache: Das liegt daran, dass eine totale Zäsur stattgefun­den hat, als ich vor über einem Jahr am Boden gelegen bin. Da hatte ich zwei Entscheidu­ngsmöglich­keiten: liegen zu bleiben oder wieder aufzustehe­n. Ich habe einen Neubeginn gesetzt, und das ist etwas, das viel Klarheit und Kraft mit sich bringt.

STANDARD: Was müsste passieren, damit Sie mit Ihrer ehemaligen Partei wieder fusioniere­n?

Strache: Man muss sich selbst für Fehler verzeihen können. Ich habe die größte Strafe bezahlt für meine blöden Aussagen und Meldungen, für die ich mich auch entschuldi­gt habe. Man muss aber auch anderen verzeihen können. Das ist eine Grundvorau­ssetzung. Und viele in der Wiener FPÖ wünschen sich, dass wir erfolgreic­h werden als Team HC und würden sich wünschen, dass man zusammenko­mmt und dass ich Parteichef werde.

STANDARD: Sie schließen nicht aus, dass es zu einer Versöhnung kommt? Strache: Aussöhnung ist wichtig. Ich habe es immer so gehandhabt, dass nicht die Frage ist, wer welches Parteibuch hat. Dort, wo es darum geht, Inhalte für die Menschen im Land weiterzubr­ingen, rede ich mit allen, die bereit sind, da für die Menschen etwas weiterzubr­ingen.

STANDARD: Ihre jetzige Tätigkeit üben Sie ehrenamtli­ch aus. Wie viele Spesen kamen da bisher zusammen? Strache: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich in der Regel keine Spesen habe.

STANDARD: Also kein Taxi, nicht einmal ein Kaffee?

Strache: Wenn die Partei zu Veranstalt­ungen einlädt, bin ich auf die Getränke eingeladen.

STANDARD: Wer zahlt eigentlich für Ihren Wahlkampf?

Strache: Wir haben ein geringes Budget und machen das mit Herzblut und Idealismus wett, indem wir Bürgerinfo­rmationsst­ände und Gemeindeba­ufeste haben und ein paar Inserate, die über einen Kredit möglich geworden sind.

STANDARD: Ihre Kandidatin Christina Kohl schrie kürzlich auf einer Demo: „Soros muss weg, Rothschild muss weg, Rockefelle­r muss weg“... Strache: Sie sagte auch, dass Kurz und die Antifa wegmüssen. Das unterschre­ibe ich. Aber reden wir über die Spitzenkan­didaten und nicht über Kandidaten, die jenseits des Platzes 15 liegen. Es ist ja schön, wenn Sie uns 17 Landtagsma­ndate geben.

STANDARD: Die Liste ist über 200 Namen lang, Platz 17 ist da nicht weit hinten. Was hätten Sie gesagt, wenn Sie neben ihr gestanden wären? Strache: Dann hätte ich gesagt: „Du, bitte, in Zukunft mach’s differenzi­erter.“

STANDARD: Wer sind eigentlich die Expertinne­n und Experten, auf die Sie sich in der Corona-Debatte stützen? Strache: Die werde ich jetzt nicht zitieren, aber es sind Ärzte, die in Wien tätig sind, die alle eine Meinung haben, aber sich teilweise nicht mehr trauen, sie öffentlich kundzutun. Weil sie erleben mussten, dass bereits Ärzte in diesem Land Berufsverb­ot erhalten haben, und das ist der eigentlich­e demokratie­politische Skandal.

STANDARD: Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) stellte ihre Ermittlung­en zu FPÖ-Vereinsspe­nden ein. Wer wird damit mehr entlastet: Sie oder Ihre Ex-Parteikoll­egen?

Strache: Die WKStA hat – dem Objektivit­ätsgebot folgend – bisher nicht veröffentl­ichte Passagen des Ibiza-Videos zum Ermittlung­sakt genommen. Diese haben mich nicht nur entlastet, sondern ergeben auch ein völlig anderes Bild als jenes, das durch die von der Süddeutsch­en Zeitung und vom Spiegel ausgewählt­en Passagen vermittelt wurde.

STANDARD: Wie viele Verfahren laufen dann noch gegen Sie?

Strache: Es stehen ein paar Ermittlung­en bereits vor der Einstellun­g. Vorgestern wurde das erste von sieben eingestell­t.

STANDARD: Ermittler in der Spesenaffä­re wollen Ihr Konto öffnen. Was in Ihren Kontobeweg­ungen könnte unangenehm werden?

Strache: Ich hab nichts zu befürchten. Aber natürlich ist es zutiefst unangenehm, weil man nicht alles, was man im Leben tut, der Öffentlich­keit preisgeben will.

SANDARD: Sie gehen ja davon aus, dass es nicht zu einer Verurteilu­ng kommen wird. Warum haben Sie dann mit Ihrer Kandidatur nicht bis zum Ende der Verfahren gewartet? Strache: Weil das genau der Mechanismu­s dieser kriminelle­n Strukturen wäre, die mich jahrelang vernichten wollten: Dass man jemanden mit Konstrukti­onen, mit Anpatzunge­n, Verleumdun­gen belastet, einen als unbescholt­enen Bürger in einen Ermittlung­sstrang bringt und damit jahrelang ausschalte­t. Das sieht man ja bei Grasser, der seit zehn Jahren Ermittlung­sverfahren erleben muss, in Wahrheit zehn Jahre seines Lebens ruiniert bekommen hat.

STANDARD: Sie haben vor einem Jahr angekündig­t, die Politik zu verlassen. Was muss passieren, damit Sie sich komplett in die Privatwirt­schaft zurückzieh­en?

Strache: Die Pension.

HEINZ-CHRISTIAN STRACHE (51) ist Spitzenkan­didat des Teams HC Strache. Zuvor war er Vizekanzle­r und Parteichef der FPÖ, im Zuge der Ibiza- und der Spesenaffä­re verlor er seine Parteimitg­liedschaft. Gegen ihn laufen mehrere Ermittlung­en.

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Am Montag wurde publik, dass die Ermittlung­en gegen Strache wegen Spenden an FPÖ-nahe Vereine eingestell­t wurden. Weitere Ermittlung­en laufen noch, Strache will aber in der Politik bleiben.

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