Wintersportorte fürchten eine verlorene Saison
Experten fordern Fixkostenzuschuss für Tourismusbetriebe – Pläne der Regierung würden zu Fehlanreizen führen
Wien – Der Herbst steht vor der Tür, der Winter ist nicht mehr fern. Und damit die nächste Saison, die für die heimischen Touristiker zum Desaster werden könnte. Denn nach wie vor ist das Coronavirus in Europa mit der österreichischen Skihochburg Ischgl konnotiert. Die jüngsten Infektionszahlen sorgen bei Branchenvertretern durchaus für Kopfzerbrechen, manche Hoteliers befürchten sogar, dass die heurige Saison ausfallen könnte.
Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) haben am Dienstag deshalb Hilfen für den Tourismus vorgestellt. Oder eher vorgetragen – denn Neues war wenig dabei. Die Kurzarbeit wird verlängert, der Neustartbonus soll einen Anreiz für Einstellungen schaffen und die Corona-Arbeitsstiftung Arbeitskräfte bei der Um- und Weiterbildung unterstützen. Köstinger forderte außerdem einmal mehr ein Ja aus Brüssel zum geplanten Fixkostenzuschuss, bei dem die EU-Kommission bremst.
Experten teilen Köstingers Sorge, dass die Branche ohne weitere Hilfen – wie einen Fixkostenzuschuss – großen Schaden nehmen würde. Es brauche einen Zuschuss, der die Betriebe erreicht – und der die gesamte Wintersaison umfasst. „Die Maßnahme muss deutlich über den Dezember hinausgehen“, sagt etwa Oliver Fritz, Tourismusexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).
Falsche Anreize
Bei den konkreten Plänen der Regierung orten Experten aber Nachbesserungsbedarf. Und das nicht, um Brüssel vom Zuschuss zu überzeugen, sondern weil der neue Fixkostenzuschuss ein Anreizproblem in der Tourismusbranche kreieren könnte.
Antragsberechtigt sind nur Unternehmen, die einen pandemiebedingten Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent verzeichnen. Wie eine Studie von Paul Pichler von der Universität Wien zeigt, könnten viele Tourismusbetriebe letztlich durch die Finger schauen, weil die
Umsätze aufgrund der positiven Sommermonate nicht stark genug gefallen sind. Wo der Umsatz um etwa 28 Prozent zurückgegangen ist, könnten Unternehmen so alles daransetzen, auf die 30 Prozent zu kommen. Sonst gibt es keinen vollständigen Fixkostenersatz – sondern gar nichts. Ein klassischer Fehlanreiz.
Das Problem entsteht, weil Unternehmen, die den Fixkostenzuschuss in der ersten Phase beantragt haben, mit dem zweiten Fixkostenzuschuss zeitlich nahtlos daran anschließen müssen. Sie werden also gezwungen, die Sommermonate in der Umsatzentwicklung mitzuberücksichtigen.
Hohe Ersatzquote
Tourismusexperte Fritz findet zudem, dass die Ersatzquote von 100 Prozent möglicherweise zu hoch ist. Gepaart mit dem Umsatzkriterium von einem 30-Prozent-Rückgang führt der Fixkostenzuschuss dazu, dass auf der einen Seite überfördert und auf der anderen Seite unterfördert wird, befürchtet er.
Die vergangene Wintersaison wurde erst im März durch Betriebsschließungen unterbrochen. Dennoch standen am Ende sowohl bei Ankünften mit minus 22 Prozent als auch bei Nächtigungen mit minus 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutliche Verluste zu Buche. Im Winter 2018/19 zählten die Statistiker noch 20,4 Millionen Ankünfte und 70,9 Millionen Nächtigungen.
Selbst wenn es diesen Winter zu keinen Betriebsschließungen kommen sollte: Einen ähnlichen Effekt wie im Sommer, wo ausbleibende ausländische Gäste zum Teil durch Inländer kompensiert wurden, erwarten Experten im Winter nicht. Österreich sei keine Ersatzdestination, sagt Fritz. Wer nach Fuerteventura gefahren wäre, werde nicht spontan zum Skifahrer. Um die Wintersaison zu retten, müsste man potenzielle Kunden davon überzeugen, dass ein Winterurlaub in Österreich sicher ist. „Und dass die Gäste einen Urlaub machen können, den man auch als Urlaub bezeichnen kann“, sagt Fritz. (luis)