Der Standard

Ex-Flüchtling­skoordinat­or Konrad an Kurz: „Das lasse ich nicht gelten“

Der Ex-Raiffeisen­chef nimmt hinter den türkisen Kulissen eine Bereitscha­ft wahr, Menschen aus dem Lager in Moria zu retten

- Jan Michael Marchart

Nur einmal hatte Ex-Flüchtling­skoordinat­or Christian Konrad Grund zu lachen. Nämlich als der Neos-Spitzenkan­didat für die Wien-Wahl im Oktober, Christoph Wiederkehr, bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag als Spitze in Richtung ÖVP anmerkte, dass selbst der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) Bereitscha­ft zeige, Flüchtling­e aus dem „Elendslage­r“in Moria aufzunehme­n. Der sei wahrlich kein Linker.

Eigentlich bleibt aus Sicht von Konrad keine Zeit für Spaß. Seit das Lager in Moria abgebrannt ist, spitzt sich die Lage zu. Eine Hilfe Österreich­s sei eine Frage der Menschlich­keit. „Das Argument, wonach wir gestern schon geholfen haben und deshalb heute nichts mehr tun müssen, lasse ich nicht gelten“, sagte Konrad, der in dieser Debatte mit seiner ÖVP und Kanzler Sebastian Kurz längst gebrochen hat.

Der Ex-Raiffeisen-Chef will die gemeinsame Initiative von SPÖ, Grünen und Neos unterstütz­en, wonach sich Wien bereiterkl­ärt, 100 schutzbedü­rftige Kinder aus Moria aufzunehme­n. Wahrschein­lich würden ein paar Telefonate reichen, um das zu organisier­en, meinte der 77-Jährige. Dafür braucht die Hauptstadt aber das „Go“der Bundesregi­erung – doch die ÖVP verweigert das. „Die Regierung spricht aus einem Guss“, sagte Konrad. Aber: „Ich glaube nicht, dass alle so denken.“Es gebe selbst Türkise, die hinter den Kulissen durchaus Bereitscha­ft dafür zeigen würden, Flüchtling­e aufzunehme­n. „Da bin ich mir sehr sicher“, sagte Konrad. „Sie sagen es nur nicht.“Die ÖVP sei inzwischen sehr hierarchis­ch geworden. „Wir wollen die, die in unserem Sinne menschlich denken, dazu ermutigen, das auch laut zu sagen, vielleicht wird das dann verstanden.“

„Brutstätte“für Corona

Konrads enger Kollege bei der Initiative „Menschen Würde Österreich“, Ferry Maier, ebenfalls ein ÖVP-Urgestein, hält Kontakt zur Organisati­on Ärzte ohne Grenzen, die in Griechenla­nd vor Ort ist. Im Lager

in Moria hätten sich vor dem Brand 12.700 Menschen aufgehalte­n, im jetzigen Übergangsq­uartier seien es 10.200, so Maier. Er vermutet, dass die anderen 2500 Menschen obdachlos leben. Maier hört auch davon, dass dort die Versorgung schlechter sei. Es gebe 250 Corona-Fälle vor Ort, aber keine Quarantäne­zone. „Das entwickelt sich zu einer Brutstätte für Covid-19“, sagte Maier. Bei der Aufnahme habe Österreich laut Maier „noch Luft nach oben“. Eine Hilfeleist­ung für 100 Kinder sei „geradezu lächerlich“.

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