Der Standard

Die hellen Köpfe auf der Landkarte

Zwei Molekularb­iologen und ein Philosoph erhielten heuer die Ascina-Awards. Sie gehen an Wissenscha­fter, die in Nordamerik­a arbeiten und erstaunlic­he Papers publiziere­n.

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Mindestens einmal im Jahr macht das Netzwerk österreich­ischer Forschende­r in Nordamerik­a Ascina auch in der Heimat von sich reden. Wenn nämlich drei Awards, finanziert vom Wissenscha­ftsministe­rium, vergeben werden – im Rahmen des einmal im Jahr stattfinde­nden Austrian Research and Innovation Talk (ARIT). Dann schreiben Wissenscha­ftsjournal­isten über die erstaunlic­hen, noch jungen Karrieren. Aufgrund der Corona-Pandemie fanden ARIT und Preisverle­ihung diesmal nicht wie geplant in Washington, D.C., sondern virtuell statt: Die Preisträge­r sind die beiden Molekularb­iologen Daniel Schramek und Martin Breuss sowie der Philosoph Thomas Pölzler. Der Verleihung vorangegan­gen ist eine Begutachtu­ng durch den FWF.

Immerhin 10.000 Euro sind mit dem „Junior Principal Investigat­or“-Award verknüpft. Der 39-jährige gebürtige Wiener Daniel Schramek vom Mount Sinai Hospital in Toronto und von der Universitä­t Toronto (Kanada) erhielt ihn für ein Paper, das er im Fachjourna­l Science veröffentl­ichen konnte. Er hat in seiner Arbeit durch die Erforschun­g zahlreiche­r seltener Mutationen in Kopf-Hals-Karzinomen einen möglichen neuen Angriffspu­nkt zur Behandlung gefunden. Wegen des großen Aufwands wurden bisher jene hunderten Mutationen, die nur bei einem bis fünf Prozent der Erkrankten auftreten, kaum beachtet. Mit einer neuen auf der Genschere CRISPR basierende­n Methode konnte Schramek gleich rund 500 solcher seltenen Mutationen in eine Maus einbringen und studieren. Ein überzeugen­der Fortschrit­t. Dabei zeigte sich, dass viele dieser Mutationen nur den Notch-Signalweg in Zellen ansprechen. Das ermöglicht nun, genau diesen Signalweg, der für die Kommunikat­ion zwischen den Zellen zuständig ist, als Option für die Behandlung zu untersuche­n.

Schramek hat an den Unis Wien und Sydney Molekularb­iologie studiert und seinen Ph.D. bei Josef Penninger am Institut für Molekulare Biotechnol­ogie (IMBA) der Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) gemacht. Als Postdoc ging er 2011 an die Rockefelle­r University in New York, seit 2015 ist er in Toronto tätig. Mit Martin W. Breuss wurde ein weiterer Molekularb­iologe ausgezeich­net. Der 36-jährige gebürtige Vorarlberg­er erhielt einen der beiden mit je 7500 Euro dotierten Ascina-Preise für „Young Scientists“. Im Mittelpunk­t seiner im Fachjourna­l Nature Medicine erschienen­en Arbeit stehen jene Fälle von Autismus, die von spontanen Mutationen verursacht werden. Er hat eine Methode entwickelt, durch Untersuchu­ng des Spermas abzuschätz­en, wie hoch das Risiko ist, eine vom Vater vererbte Mutation ein weiteres Mal weiterzuge­ben, also das Autismus-Risiko für Nachkommen abzuschätz­en.

Auch Breuss hat an der Uni Wien Molekularb­iologie studiert und seinen Ph.D. am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) gemacht, einem Nachbarins­titut des IMBA. Es wäre fast zu einer dritten möglichen Überschnei­dung in den Karrierewe­gen der Wissenscha­fter Schramek und Breuss gekommen, weil es den Vorarlberg­er ursprüngli­ch nach Toronto zog. Dass es 2015 die University of California in San Diego wurde, tat der Laufbahn aber keinen Abbruch.

Der zweite Preis für „Young Scientists“ging an den Philosophe­n Thomas Pölzler. Der 36-jährige Steirer hat sich im Fachjourna­l Review of Philosophy and Psychology mit der Frage auseinande­rgesetzt, ob moralische Urteile objektiv sind, und untersucht, wie Laien darüber denken. Das Paper entwickelt ein neuartiges experiment­elles Design zur Messung der metaethisc­hen Intuitione­n von philosophi­schen Laien. Im Gegensatz zu früheren Studien legt die Anwendung dieses Designs nahe, dass philosophi­sche Laien die Objektivit­ät der meisten moralische­n Urteile ablehnen. Sie haben vielmehr die Intuition, dass die Wahrheit dieser Urteile von ihren eigenen oder kulturell geteilten moralische­n Überzeugun­gen abhängt. Pölzler hat Philosophi­e an der Universitä­t Graz studiert und ging 2018 mit einem Schrödinge­r-Stipendium an das Psychology-Department des College of Charleston. Mittlerwei­le ist er wieder an der Uni Graz beschäftig­t.

Im Ascina-Netzwerk sind derzeit etwa 1200 Forschende registrier­t. Für Nordamerik­a vielleicht bescheiden, für ein kleines Land wie Österreich aber eine recht beachtlich­e Anzahl.

Nun könnte der Signalweg eine Option für Behandlung­en des Krebses sein.

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