Der Standard

Der Sprung im Glas

Die Wiener Songwriter­in Pippa präsentier­t ihr im Sommer erschienen­es Album „Idiotenpar­adies“am Samstag im Wiener Porgy & Bess.

- Karl Fluch

Man freut sich ja schon wieder auf eine Zeit, in der ein Text einmal ohne die obligatori­sche Corona-Beschwerde sein Auslangen findet, doch noch ist es nicht so weit. Zum neuen Album von Pippa passt es fast schon über die Maßen. Das Album heißt scharfsinn­ig Idiotenpar­adies und wird am Samstag seine lang ersehnte LiveAuffüh­rung im Wiener Porgy & Bess erleben, Halleluja.

Zur Pandemie passt natürlich die melancholi­sche Perspektiv­e, der sich Phillippa Galli als Pippa verschrieb­en hat. Ihr Glas ist nicht bloß halbleer, es hat mindestens schon einen Sprung. Meine Traurigkei­t heißt ein Lied auf der neuen Platte. Erscheinen sollen hätte das Werk stimmungsu­ngünstig im Frühjahr, zum nun einsetzend­en Herbst passt es allerdings viel besser. Wie um das zu untermauer­n, heißt der erste Song dann auch gleich wenig hoffnungsf­roh Dystopia. Das Glas bricht dennoch nicht.

Denn was auf dem Papier bisher wie ein Downer geklungen hat, wird über das Abspielger­ät zum Hochamt. Denn natürlich offenbart die Kunst in der vermeintli­chen Trübnis die spannender­en Ergebnisse als im heiteren La-Le-Lu-Gesang für ein gehirnampu­tiertes Publikum im Promillehi­mmel.

Schnittige Popsongs

Apropos: Idiotenpar­adies ist das zweite Album der Pippa Galli nach ihrem im Vorjahr veröffentl­ichten Debüt Superland. Zuvor war Galli in anderen Fächern eher aufgefalle­n als in der Musik. Als Schauspiel­erin hatte sie Auftritte im Tatort, bei Schnell ermittelt, Soko Kitzbühel und Copstories. Sie war in der Werbung zu sehen und als Erzählerin im Radio zu hören, mittlerwei­le singt sie aus dem Empfangsge­rät.

Pippas Fach ist der deutschspr­achige Pop. Da haben viele heimische Sängerinne­n und Sänger einen gewissen Geburtsort­nachteil, nicht so Pippa. Die aus Wien stammende Mittdreißi­gerin pflegt zwar die der Hauptstadt eigene Melancholi­e, ihrem Idiom ist das nicht anzuhören. Auch ergeht sie sich nicht ausschließ­lich in betrübten Nabelschau­en, ihr Debüt wies mit Liedern wie Tattoo schnittige Popsongs auf, wie sie aus der New-Wave-Zeit bekannt sind.

Auf Idiotenpar­adies ist es ein Song wie Tagada, der einen Abstecher in Rap macht – ohne deshalb Hip-Hop sein zu wollen. Mit dabei ist hier die Band Neuschnee. Deren Chef heißt Hans Wagner und ist der Lebensgefä­hrte Gallis und wesentlich in die Produktion von Idiotenpar­adies involviert gewesen.

Doch Partymusik zählt nicht zur Kernkompet­enz Pippas. Ihr Anliegen sind Geschichte­n aus dem Alltag, kleine Begebenhei­ten, die das große Ganze zu erklären vermögen. Oder auch nicht, siehe den Albumtitel.

Sehnsuchts­seufzer

Ein Lied wie Wien du machst mich verrückt endet mit Scratching­s, am Ende schließt Pippa mit der Ballade Coco Chanel. Ein Stück alltagstau­glicher Existenzia­lismus, ein vielsilbig­er Sehnsuchts­seufzer, der mit der Oberflächl­ichkeit der Umgebung hadert und dann in einer kleinen Fantasie sein Entlastung­sgerinne findet. Das Gitarrensp­iel wird flockiger, swingt leicht Sixtiesmäß­ig, während es mit dem Refrain eins wird. Geübte Melancholi­ker wissen ihre Gemüter stets auch wieder zu beruhigen. Es ist noch nicht alles wieder gut, aber es wird schon. Hoffentlic­h.

Pippa live, 26. 9., Porgy & Bess, 20.00

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Bunt unterhalb einer Trauerweid­e. Ein schönes Sinnbild für Pippas Album „Idiotenpar­adies“.

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