Der Standard

Ibiza ist mehr als das Strafrecht

Aber das heißt nicht, dass man die Korruption­sgesetze nicht verschärfe­n muss

- Fabian Schmid

Heinz-Christian Strache spricht von einer „in der Zweiten Republik beispiello­sen Hetzkampag­ne“und meint damit zwar sich selbst, allerdings als Opfer. Ein „Beweis“dafür sei, dass die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) nun ihre Ermittlung­en gegen das blaue Vereinsnet­zwerk eingestell­t hat. Das ist auf mehreren Ebenen plump und falsch.

Erstens sollte es eigentlich die Mindestanf­orderung an Politiker sein, nicht angeklagt zu werden. Jeder Politiker, der gerichtlic­h verurteilt wird, hat sich inakzeptab­el verhalten. Das bedeutet im Umkehrschl­uss aber keinesfall­s, dass sich alle Politiker, die nicht verurteilt wurden, akzeptabel verhalten haben.

„Die Grenze nach rechts ist das Strafrecht“, verteidigt­e Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einst seine Koalition mit der FPÖ. Den politische­n Anstand verliert man aber nicht erst bei der Grenze zum Strafrecht, sondern schon viel früher. Prahlerisc­he Aussagen vor falschen Oligarchin­nen, man könne Geld „am Rechnungsh­of vorbei“schleusen, verletzen diesen Anstand massiv.

Zweitens kann die Korruption­sbekämpfun­g nur gelingen, wenn der Justiz entspreche­nde Instrument­e zur Verfügung stehen. Im Korruption­swahrnehmu­ngsindex von Transparen­cy Internatio­nal hält sich Österreich zwar im oberen Drittel, schneidet jedoch deutlich hinter Spitzenrei­tern in Skandinavi­en oder Neuseeland ab.

Dass es nicht strafbar ist, Deals abzuschlie­ßen, die auf künftige Ämter gerichtet sind, bezeichnet­e sogar die WKStA erstaunlic­h offen als „Gesetzeslü­cke“. Sprich: Strache und sein einstiger Adlatus Johann Gudenus kamen auch deshalb ungeschore­n davon, weil man hierzuland­e alle möglichen Korruption­sfantasien als Regierungs­mitglied verspreche­n kann, solange man selbst noch keines ist – auch wenn in wenigen Monaten Wahlen anstünden. Hier sollte Justizmini­sterin Alma Zadić rasch die versproche­nen Reformen vorlegen. Auch das Geldsammel­n für parteinahe Vereine ist kaum strafrecht­lich erfassbar. Aber immerhin muss man der FPÖ hier zugutehalt­en, sich ein Vorbild an anderen Parteien genommen zu haben.

Drittens ist die Einstellun­g der Ermittlung­en kein Blankosche­in für Strache. Die Staatsanwa­ltschaft Wien rückt in ihren Ermittlung­en zur sogenannte­n Spesenaffä­re immer näher an eine Anklage heran, gefunden wurde ein Schaden von deutlich über 300.000 Euro – damit erhöht sich der potenziell­e Strafrahme­n auf zehn Jahre. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Abseits davon ist Strache nach wie vor Beschuldig­ter in der Causa Privatklin­iken und in der Casinos-Affäre. Nur mehr drei statt vier Ermittlung­en am Hals zu haben macht keinen Saubermann aus dem Beschuldig­ten.

Aber noch wichtiger als die Frage der Strache’schen Moral ist der Blick auf die Politik insgesamt. Die eingestell­ten Vereinserm­ittlungen sollten die wichtige Debatte über den Einfluss spendabler Gönner auf politische Entscheidu­ngsträger neu aufflammen lassen. Warum mehrere Unternehme­n quasi nicht existente Vereine mit hunderttau­senden Euros unterstütz­t haben, bleibt nach wie vor ungeklärt. Und in anderen Parteifarb­en existieren ähnliche Vereinsnet­ze, vielleicht mit einer Prise mehr Aktivität.

Reformen, um hier für Transparen­z zu sorgen, blieben bisher allerdings aus – auch wenn sie nach Ibiza groß versproche­n wurden. Warum bloß?

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