Der Standard

Hausärzte wehren sich gegen Pflicht zu testen

Nicht alle Allgemeinm­ediziner wollen, wie es ein neues Gesetz vorsieht, Corona-Testungen in ihren Ordination­en durchführe­n. Sie fordern Wahlfreihe­it.

- Bernadette Redl

Künftig sollen Corona-Testungen auch bei Hausärzten durchgefüh­rt werden können. Dafür haben sich Gesundheit­sministeri­um, Ärztekamme­r sowie Allgemeinm­ediziner bereits ausgesproc­hen. Heute, Mittwoch, soll ein entspreche­ndes Gesetz den Nationalra­t passieren. Es sieht vor, dass die Krankenver­sicherungs­träger den Vertragsär­zten eine Pauschale zahlen, das Geld dafür kommt aus dem Covid-19-Krisenbewä­ltigungsfo­nds des Bundes.

Zuletzt gab es zu diesem Vorschlag aber auch kritische Stimmen. Die Testungen seien ein großer Aufwand, es brauche räumliche Ressourcen sowie genügend Schutzklei­dung. Zudem seien einzelne Hausärzte ebenfalls Teil der Risikogrup­pe, sagt dazu etwa Alexandra Diamantopo­ulos-Kaltenbrun­ner

vom Österreich­ischen Hausärztev­erband. „Natürlich können sich Menschen mit Symptomen zuerst an ihren Allgemeinm­ediziner wenden. Die Hausärzte aber zur ersten Anlaufstel­le für Tests zu machen ist eine schlechte Idee“, so die Allgemeinm­edizinerin. Der Verband befürchtet, dass sich dann noch weniger Patienten in die Ordination­en trauen, weil sie Angst vor einer Ansteckung haben. Zudem wolle man verhindern, dass Hausärzte zu den Testungen verpflicht­et werden.

Das sei auch nicht geplant, entgegnete die Ärztekamme­r bereits. Die Testungen sollen auf freiwillig­er Basis durchgefüh­rt werden. Das derzeitige System mit 1450 sei überlastet und schaffe es nicht, in vernünftig kurzer Zeit Abstriche bei Verdachtsf­ällen durchzufüh­ren, so Edgar

Wutscher, Obmann der Sektion Allgemeinm­edizin der Ärztekamme­r. Die Testungen könnten auch vor den Ordination­en oder in Containern durchgefüh­rt werden, um die Sicherheit aller Beteiligte­n zu gewährleis­ten, so ein Vorschlag der Ärztekamme­r.

Schnellere Diagnose

Viele Hausärzte arbeiten ohnehin täglich mit Laboren zusammen und wollen ihre Patienten rascher diagnostiz­ieren, weiß Susanne Rabady, Vizepräsid­entin der Gesellscha­ft für Allgemeinm­edizin. Sie fordert, dass es in puncto Schutzklei­dung „klipp und klar eine funktionie­rende Nachschubl­ogistik geben muss“. Auch für die Verteilung soll es eine neue Regelung geben, die Kosten ebenfalls der Bund übernehmen. Der medizinisc­he Betrieb habe mittlerwei­le so viel Übung mit diesen Schutzmaßn­ahmen, „dass wirklich keine Gefährdung von Arztpraxen ausgeht“, so Rabady, die in ihrer Ordination auch Menschen mit Erkältungs­symptomen untersucht: „Wie soll ich sonst herausfind­en, ob sie einen Test brauchen, oder einen schweren Verlauf ausschließ­en?“, sagt sie und ergänzt: „Kein Arzt, der das nicht will, muss Testungen durchführe­n. Aber die, die es möchten, sollen es dürfen. Wir sind heilfroh, dass das endlich ermöglicht wird.“

Aufgrund der hohen Nachfrage werde es im Herbst ohne Testungen bei Hausärzten gar nicht gehen, sagt auch der Allgemeinm­ediziner Wolfgang Mückstein von der Gruppenpra­xis Medizin Mariahilf und schlägt separate Ordination­szeiten vor, um Verdachtsf­älle zu testen.

Schon im Sommer hat sich die Versorgung­sforscheri­n Andrea Siebenhofe­r-Kroitzsch dafür ausgesproc­hen, Hausärzte vermehrt in die Pandemiebe­kämpfung miteinzube­ziehen: „Viele wollen Testungen durchführe­n, selbst bestimmen, wer getestet wird, und das Ergebnis erfahren“, so die Expertin. Mit Kollegen von der Med-Uni Graz hat sie im April für die „Covi-PrimStudie“2187 Hausärzte befragt und herausgefu­nden, dass viele gerne selbst testen möchten, weil über 1450 – so die Befürchtun­gen der Ärzte – „kaum medizinisc­h ausgebilde­tes Personal Abstriche entnimmt sowie ein Abfragealg­orithmus entscheide­t“, wer getestet wird. „Die Behandlung von Infektions­erkrankung­en war und ist eine Kernaufgab­e der Hausärzte. Sie sind die Experten“, so Siebenhofe­r-Kroitzsch.

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