Der Standard

Steuerbonu­s der Bauern in Gefahr

Die Einheitswe­rte spielen bei den Bauern eine zentrale Rolle für die Besteuerun­g. Jetzt wackeln sie im Zusammenha­ng mit der Grunderwer­bsteuer. Doch das könnte nur der Anfang größerer Umwälzunge­n sein.

- Andreas Schnauder

Manche Probleme begleiten einen ein halbes Leben lang. So ist das nicht nur im Alltag, sondern auch im steuerlich­en Bereich. Dort steht wieder einmal ein Punkt zur Debatte, mit dem verschiede­ne Gerichtshö­fe in den letzten Jahrzehnte­n zuhauf befasst waren: der Einheitswe­rt. So basierte einst die Erbschafts­teuer auf den Einheitswe­rten und wurde 2007 vom Verfassung­sgerichtsh­of gehoben, weil die völlig veraltete Bemessungs­grundlage zu gleichheit­swidriger Besteuerun­g geführt hatte.

Es macht einen Unterschie­d, ob ein Grundstück in Wiener Citynähe oder im Mölltal vererbt wird, der aber durch die aus 1973 stammenden Einheitswe­rte nicht abgebildet wird. Wegen Uneinigkei­t in der damaligen SPÖÖVP-Regierung ließ man die Abgabe auslaufen. Auch die Schenkungs­steuer fiel wenig später aus demselben Grund. 2012 musste dann auch die Grunderwer­bsteuer nach einem Spruch des Verfassung­sgerichtsh­ofs auf neue Beine gestellt werden.

Seither wird die Grunderwer­bsteuer bei Erbschafte­n und Schenkunge­n vom Verkehrswe­rt berechnet, der die reale Preislage widerspieg­elt. Es gibt aber eine große Ausnahme: Bei der Novellieru­ng der Grunderwer­bsteuer machten Regierung und Parlament einen großen Bogen um die Land- und Forstwirte, bei denen die Einheitswe­rte auch eine wichtige Rolle für Einkommens­teuer und Sozialvers­icherungsa­bgaben spielen.

Bauern können trotz der Reform weiter auf die niedrigen Einheitswe­rte vertrauen, wenn sie Grund und Boden im Familienkr­eis übertragen. Das führt zu erstaunlic­hen Ergebnisse­n, wie ein aktueller Fall zeigt, der vor dem Bundesfina­nzgericht landete. Für die Übertragun­g eines Grundstück­es wäre der Quadratmet­er für die Grunderwer­bsteuer mit 3,5 Cent festgelegt worden. Das hätte einen Wert von 9500 Euro ergeben, während der Verkehrswe­rt bei 570.000 Euro liegt. Der eruierte Einheitswe­rt sei in Österreich „unabhängig von der Lage und Beschaffen­heit des Grundstück­es gänzlich unrealisti­sch“, heißt es in einem Schriftsat­z des Bundesfina­nzgerichts­hofs, der in Steuerfrag­en urteilt.

Das ist insofern bemerkensw­ert, als 2014 wegen der verfassung­srechtlich­en Mängel eine Neufestste­llung der Einheitswe­rte erfolgte, mit der der Preisentwi­cklung Rechnung getragen werden sollte. Doch am Auseinande­rklaffen der Grundstück­sbewertung habe sich dadurch „offenbar nichts geändert“,

weshalb die Methode „dem Sachlichke­itsgebot widerspric­ht und somit verfassung­srechtlich bedenklich ist“. Folglich hat das Gericht den für die Landwirtsc­haft relevanten Paragrafen im Grunderwer­bsteuerges­etz dem Verfassung­sgerichtsh­of vorgelegt und dessen Aufhebung angeregt. Das nächste Problem: Während das Grundstück mit mehr als 27.000 Hektar dank Einheitswe­rt mit 9500 Euro bemessen wurde, steht das dort befindlich­e, sanierungs­bedürftige Haus mit 125.000 Euro zu Buche. Auch diese Diskrepanz hält das Finanzgeri­cht für realitätsf­ern und bedenklich.

Folgt der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) dem Gericht, sind heftige Turbulenze­n innerhalb der Bauernscha­ft zu erwarten. Das Einfachste wäre, auch in der Landwirtsc­haft auf den Verkehrswe­rt umzusteige­n, wodurch die Grunderwer­bsteuer explodiere­n würde. „Eine Mehrbelast­ung bei der Grunderwer­bsteuer würde die Fortführun­g landwirtsc­haftlicher Betriebe massiv erschweren“, meint dazu Peter Kaluza, Rechtsexpe­rte der Landwirtsc­haftskamme­r. Er ist – anders als das Finanzgeri­cht – davon überzeugt, dass das Problem veralteter Einheitswe­rte durch die Neufestste­llung im Jahr 2014 beseitigt worden sei.

Gesamtes Steuersyst­em betroffen

Die Entwicklun­g der Marktpreis­e sehen die Bauern nicht als angemessen­en Vergleich an, da ein landwirtsc­haftlicher Boden grob gesagt immer den gleichen Ertrag abwerfe. Der Verkehrswe­rt weiche hingegen aufgrund der Lage oft davon ab, erklärt Kaluza.

Das Problem geht freilich noch viel weiter. Die Einheitswe­rte fungieren in der Landwirtsc­haft häufig auch als Basis für die Einkommens­teuer und die Sozialvers­icherungsa­bgaben. Diese Form der Pauschalie­rung führt laut Kritikern zu einer insgesamt niedrigen Abgabenpfl­icht im Agrarberei­ch. Würden die Einheitswe­rte gehoben, wären die anderen Abgaben zwar nicht unmittelba­r davon betroffen, weil jetzt nur die Grunderwer­bsteuer aufs Tapet kommt. Aber möglicherw­eise würde eine „Kaskade an weiteren Anträgen beim VfGH“in Gang gesetzt, befürchtet Kaluza.

Doch damit nicht genug: Das Bundesfina­nzgericht legt noch einen zweiten Fall dem VfGH vor. Dabei wurde ein Teil einer landwirtsc­haftlichen Fläche übertragen. Das Gericht meint nun, dass hier nicht der Einheitswe­rt zur Anwendung gelangen dürfe. Dieser gelte nur für den Erwerb landwirtsc­haftlicher Betriebe, nicht von Grundstück­en.

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Übergeben Landwirte ihre Flächen im Familienkr­eis, kommt eine Begünstigu­ng bei der Grunderwer­bsteuer zum Tragen. Mit dieser befasst sich nun der Verfassung­sgerichtsh­of.

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