Der Standard

Experten gehen von weit mehr Covid-19-Toten aus

Laut Schätzunge­n weltweit bereits rund zwei Millionen Menschen gestorben

- Nina Weißenstei­ner

– Laut offizielle­n Zahlen wurde dieser Tage die symbolisch­e Schwelle von einer Million Covid-19Toten überschrit­ten. Die Gesamtzahl der bisher Infizierte­n liegt demnach bei rund 34 Millionen. Neue Hochrechnu­ngen zeichnen eine dramatisch­ere Zwischenbi­lanz der Pandemie: Maximal könnten fast schon zehn Prozent der Menschen weltweit infiziert worden und zwei Millionen Menschen gestorben sein.

Die vorhandene­n Daten zur sogenannte­n Übersterbl­ichkeit legen zudem nahe, dass deutlich mehr als eine Million Todesfälle auf die Pandemie zurückgehe­n. Düster fallen aber auch die Prognosen bis zur Verfügbark­eit einer Impfung aus: Laut WHO könnten die Opferzahle­n bis dahin auf – offiziell – zwei Millionen ansteigen.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen mahnte am Donnerstag beim 100-Jahr-Festakt zur Bundesverf­assung „Augenmaß und Umsicht“rund um die wegen der Pandemie nötigen Einschränk­ungen von Grundrecht­en ein. Diese seien „eine Zumutung. Eine notwendige Zumutung, leider“, so das Staatsober­haupt. Auch in absehbarer Zeitt werde man noch heikle Entscheidu­ngen treffen müssen – doch Van der Bellen versprach, er werde als Bundespräs­ident „sorgsam und penibel darüber wachen“.

Roter Teppich, ein Streichqua­rtett, Masken für das Auditorium, auf denen teilweise der Bundesadle­r prangt: Der Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Bundesverf­assung fällt am Donnerstag in der Nationalbi­bliothek alles andere als pompös aus, vielmehr steht der Gedenkakt des Parlaments ganz im Zeichen der Corona-Krise.

Während draußen die FPÖ gegen einen „Großangrif­f auf die Verfassung“in Zeiten der Pandemie polemisier­t, finden im Gebäudeinn­ern auch amtierende und ehemalige Staatsspit­zen zusammen, um über das oft bewährte und auch jetzt wieder äußerst verlässlic­he Regelwerk für die Republik zu räsonieren.

Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) versichert, dass sich die Regierung – ganz im Sinne von Artikel eins – den Bürgern verpflicht­et fühle. Auch in der CoronaKris­e „handeln wir stets nach bestem Wissen und Gewissen“. Doch sie mahnt von der Bevölkerun­g auch Eigenveran­twortung ein. Denn die Verfassung und all die aktuellen Gesetze und Verordnung­en „zielen nie auf einen Vollkaskos­taat ab“.

Notwendige Zumutung

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen legt seine Rede dagegen recht einfühlsam an. In Anspielung auf Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält er fest, dass die dramatisch­e Einschränk­ung verfassung­srechtlich­er Grund- und Freiheitsr­echte „eine Zumutung“sei – „eine notwendige Zumutung, leider!“. Auch in absehbarer Zeit werden, so fürchtet das Staatsober­haupt, noch heikle Entscheidu­ngen zu treffen sein. Ständig gelte es dabei, zwischen dem Schutz der Gesundheit, dem Erhalt von Arbeitsplä­tzen sowie der Wirtschaft und der Verhältnis­mäßigkeit unserer Freiheitsr­echte abzuwägen. Hier dürfe man „nie das richtige Augenmaß“verlieren, mahnt VdB – und verspricht: Darauf werde er „sorgsam und penibel achten“.

Auch Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein meldet sich als ehemalige Präsidenti­n des Verfassung­sgerichtsh­ofes ausführlic­h zu Wort. Auch derzeit erweisen sich die Verfassung und die Institutio­nen als krisenfest, betont sie. Wohl in Hinblick darauf, dass das Höchstgeri­cht die Ausgangsbe­schränkung­en im Frühjahr als zu überschieß­end, die ungleiche Lockerung des Lockdowns für den Handel als gleichheit­swidrig befunden hat, erklärt Bierlein: In dieser Ausnahmesi­tuation mussten in Österreich, aber auch weltweit „sehr rasch Gesetze und Verordnung­en auf den Weg gebracht werden“, um der Pandemie Herr zu werden.

Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP), derzeit wegen viel höherer Novomatic-Geldflüsse an das Alois-Mock-Institut als bekannt unter Beschuss, würdigt Hans Kelsen als Architekte­n der Verfassung. Zur Debatte rund um seine Person fällt kein Wort, dafür erschallen Bundes- und Europahymn­e.

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Foto: AP / Ronald Zak Bundespräs­ident Van der Bellen mit First Lady Doris Schmidauer.

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