Experten gehen von weit mehr Covid-19-Toten aus
Laut Schätzungen weltweit bereits rund zwei Millionen Menschen gestorben
– Laut offiziellen Zahlen wurde dieser Tage die symbolische Schwelle von einer Million Covid-19Toten überschritten. Die Gesamtzahl der bisher Infizierten liegt demnach bei rund 34 Millionen. Neue Hochrechnungen zeichnen eine dramatischere Zwischenbilanz der Pandemie: Maximal könnten fast schon zehn Prozent der Menschen weltweit infiziert worden und zwei Millionen Menschen gestorben sein.
Die vorhandenen Daten zur sogenannten Übersterblichkeit legen zudem nahe, dass deutlich mehr als eine Million Todesfälle auf die Pandemie zurückgehen. Düster fallen aber auch die Prognosen bis zur Verfügbarkeit einer Impfung aus: Laut WHO könnten die Opferzahlen bis dahin auf – offiziell – zwei Millionen ansteigen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen mahnte am Donnerstag beim 100-Jahr-Festakt zur Bundesverfassung „Augenmaß und Umsicht“rund um die wegen der Pandemie nötigen Einschränkungen von Grundrechten ein. Diese seien „eine Zumutung. Eine notwendige Zumutung, leider“, so das Staatsoberhaupt. Auch in absehbarer Zeitt werde man noch heikle Entscheidungen treffen müssen – doch Van der Bellen versprach, er werde als Bundespräsident „sorgsam und penibel darüber wachen“.
Roter Teppich, ein Streichquartett, Masken für das Auditorium, auf denen teilweise der Bundesadler prangt: Der Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Bundesverfassung fällt am Donnerstag in der Nationalbibliothek alles andere als pompös aus, vielmehr steht der Gedenkakt des Parlaments ganz im Zeichen der Corona-Krise.
Während draußen die FPÖ gegen einen „Großangriff auf die Verfassung“in Zeiten der Pandemie polemisiert, finden im Gebäudeinnern auch amtierende und ehemalige Staatsspitzen zusammen, um über das oft bewährte und auch jetzt wieder äußerst verlässliche Regelwerk für die Republik zu räsonieren.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) versichert, dass sich die Regierung – ganz im Sinne von Artikel eins – den Bürgern verpflichtet fühle. Auch in der CoronaKrise „handeln wir stets nach bestem Wissen und Gewissen“. Doch sie mahnt von der Bevölkerung auch Eigenverantwortung ein. Denn die Verfassung und all die aktuellen Gesetze und Verordnungen „zielen nie auf einen Vollkaskostaat ab“.
Notwendige Zumutung
Bundespräsident Alexander Van der Bellen legt seine Rede dagegen recht einfühlsam an. In Anspielung auf Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält er fest, dass die dramatische Einschränkung verfassungsrechtlicher Grund- und Freiheitsrechte „eine Zumutung“sei – „eine notwendige Zumutung, leider!“. Auch in absehbarer Zeit werden, so fürchtet das Staatsoberhaupt, noch heikle Entscheidungen zu treffen sein. Ständig gelte es dabei, zwischen dem Schutz der Gesundheit, dem Erhalt von Arbeitsplätzen sowie der Wirtschaft und der Verhältnismäßigkeit unserer Freiheitsrechte abzuwägen. Hier dürfe man „nie das richtige Augenmaß“verlieren, mahnt VdB – und verspricht: Darauf werde er „sorgsam und penibel achten“.
Auch Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein meldet sich als ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes ausführlich zu Wort. Auch derzeit erweisen sich die Verfassung und die Institutionen als krisenfest, betont sie. Wohl in Hinblick darauf, dass das Höchstgericht die Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr als zu überschießend, die ungleiche Lockerung des Lockdowns für den Handel als gleichheitswidrig befunden hat, erklärt Bierlein: In dieser Ausnahmesituation mussten in Österreich, aber auch weltweit „sehr rasch Gesetze und Verordnungen auf den Weg gebracht werden“, um der Pandemie Herr zu werden.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), derzeit wegen viel höherer Novomatic-Geldflüsse an das Alois-Mock-Institut als bekannt unter Beschuss, würdigt Hans Kelsen als Architekten der Verfassung. Zur Debatte rund um seine Person fällt kein Wort, dafür erschallen Bundes- und Europahymne.