Kopf des Tages
Keine Kleinigkeit: 70 Jahre „Peanuts“
Er spendet heute noch Trost: Charlie Brown, so etwas wie das Zentralgestirn der Comicserie Peanuts, feiert seinen 70. Geburtstag.
Mit vier gezeichneten Bildchen nebeneinander ging es los: Heute vor 70 Jahren erschien der erste Comicstrip der Peanuts. Ein schicksalhaftes Ereignis für Charles M. Schulz. Denn die Nachfrage war so groß, dass der vor 20 Jahren gestorbene Zeichner 17.896 weitere Strips zeichnen musste.
Das Zentralgestirn dieser beispiellos erfolgreichen Comicserie ist Charlie Brown. Ein Kind im einstelligen Alter, dessen Milchglas immer halb leer ist. Dieser Knick in seinem Wesen bestimmt sein Tun, er zaudert und ist ein Pechvogel – ein zukünftiger Durchschnittstyp in einer typischen US-amerikanischen Kleinstadt. Als solcher zieht er sich gerne in seinen Mikrokosmos zurück, verehrt einen Baseballstar und verfolgt die Abenteuer seines Hundes Snoopy. Vogel Woodstock, Schwester Sally, Peppermint Patty, Lucy, Schroeder, Franklin, Linus mit der Kuscheldecke und ein paar weitere Figuren spielen die Nebenrollen.
Die Peanuts gab es 50 Jahre lang bis zum Tod ihres Schöpfers. Ihr Erfolg zementierte die Form des vier Bilder umfassenden Comicstrips für Zeitungen ein, über die Jahrzehnte folgten TV- und Kinofilme, aus den „Kleinigkeiten“wurde ein Unterhaltungsimperium, Schulz Milliardär.
In 2600 Zeitungen wurden die von ihm gezeichneten, kolorierten und getexteten Strips veröffentlicht, in 75 Ländern, für über 350 Millionen Fans.
Im gelben T-Shirt und in kurzen Hosen führte Charlie Brown sein Publikum durch aufregende Zeiten. Die 1960er gelten als goldenes Zeitalter der Peanuts, in dem Schulz’ Figuren auf die gesellschaftlichen Umwälzungen in den USA reagierten. Ihr bedingungsloser Humanismus schlug sich in einer entsprechenden Haltung zum Vietnamkrieg oder der Gleichstellung Schwarzer nieder – wiewohl Schulz gezögert haben soll, bevor er den schwarzen Franklin erfand. Doch die Peanuts fungierten als moralischer Kompass, ihre Unvoreingenommenheit als positives Beispiel, von dem Erwachsene lernen konnten. Diese Qualitäten garantierten den Erfolg ein halbes Jahrhundert lang – und darüber hinaus.
Noch heute spendet Charlie Brown Trost, etwa auf T-Shirts: Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf gesteht er Peppermint Patty: „I still miss David Bowie“– oder andere Sterbliche. Gefühle kommen vor der Ratio. In der Kraft dieser Unschuld liegt das Geheimnis des Erfolgs der Peanuts – und das unserer anhaltenden Zuneigung für diese verletzlichen Helden. Karl Fluch