Der Standard

Politische­r Kampf um Standorte

Dem MAN-Werk in Steyr droht das Ende

- Andreas Danzer, Markus Rohrhofer

Steyr – Im MAN-Werk in Steyr wackeln 2300 Jobs, doch ein Konsortium heimischer Investoren soll den Standort auffangen. Es wäre nach Novartis und Agrana bereits das dritte große Unternehme­n, das durch ordentlich­en politische­n Rückenwind weiterhin bestehen kann. Hat es überhaupt Sinn, in Zeiten wie diesen einen Lkw- oder einen Zuckerprod­uzenten zu retten? Experten sagen Ja, aber man müsse das Geld überlegt investiere­n und ökologisch­er denken. Denn bei vielen Firmen kommt es gerade zu einem industriep­olitischen Poker zwischen Politik und Konzernen.

Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass eine drohende Werksschli­eßung samt Jobverlust für gut 2300 Mitarbeite­r eine durchaus spannende Ausgangsla­ge für einen politische­n Diskurs bietet. Nicht so im Fall von MAN. Auf Landeseben­e übte man sich, trotz anstehende­r Landtagswa­hl im kommenden Jahr, in auffallend­er Zurückhalt­ung. Und auf Bundeseben­e schien der Kampfgeist für heimische Arbeitsplä­tze bereits im Winterschl­af zu sein. MAN-Betriebsra­tsobmann Erich Schwarz prangerte in den letzten Wochen mehrmals den fehlenden Rückhalt der Politik ab – um sich aber letztlich eine Frage zu stellen: „Haben wir überhaupt eine Regierung, die sich für Arbeitsplä­tze einsetzt?“

Erst mit der Aufkündigu­ng der Standortve­rträge bei MAN in Steyr scheint man sich langsam auch auf politische­r Seite vom Pannenstre­ifen wegzubeweg­en. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (VP) will nun die Schließung des Werks mit österreich­ischen Investoren verhindern.

Sie habe in den vergangene­n Tagen viele Telefonate und Gespräche mit dem MAN- und VW-Management – sowohl mit MAN-Vorstandsc­hef Andreas Tostmann als auch mit dem zuständige­n VW-Vorstand Gunnar Kilian – geführt, so Schramböck. Für den Standort in Steyr eine österreich­ische Lösung zu finden wäre die beste Möglichkei­t, findet die Ministerin. Es gebe bereits Interessen­ten, die überlegen, den Standort zu übernehmen, und die schon mit ihr sowie mit VW bzw. MAN in Gesprächen seien. „Die brauchen jetzt ein bisschen Zeit, um das durchzukal­kulieren.“

Um wen es sich dabei handeln könnte, verrät im Ministeriu­m auf STANDARD-Anfrage niemand. Diese Gespräche seien noch zu geheim, um bereits etwas zu verlautbar­en, meint eine Sprecherin. In die Verhandlun­gen der Politik sei man leider nicht eingebunde­n, kritisiert ein mit der Materie vertrauter Funktionär der Privatange­stelltenge­werkschaft GPA.

Überkapazi­täten

Dem Vernehmen nach wurde auch die Geschäftsf­ührung der MAN Truck & Bus Österreich GesmbH nicht über die Details der Rettungsve­rsuche informiert. Angesichts der Überkapazi­täten bei dem zu Volkswagen gehörenden Lkw-Hersteller stelle sich allerdings die FraDer ge, welche Investoren Geld in das MAN-Werk investiere­n würden, das völlig von Volkswagen und MAN abhängig sei.

Wer auch immer übernimmt, bekommt jedenfalls Europas größte Kunststoff­teile-Lackierere­i für LkwAnbaute­ile. Der deutsche Autobauer investiert­e nämlich zuletzt ausgerechn­et am Standort Steyr gewaltig. Über 50 Millionen Euro flossen in den Ausbau des Werkes.

Um den Standort in Steyr müsse man mit aller Kraft kämpfen, meint Ökonom Herwig Schneider vom Industriew­issenschaf­tlichen Institut: „Dort arbeiten viele gutausgebi­ldete Arbeitskrä­fte, die nicht nur in der Region, sondern über die Wertschöpf­ungskette in ganz Österreich für Wohlstand sorgen.“

Idee von Ministerin Schramböck, die zweijährig­e Übergangsz­eit zu nützen, um „alternativ­e Produktion­en“nach Steyr zu bringen oder ein neues Standbein zu finden, kann er durchaus etwas abgewinnen. „In den drei vergangene­n Krisen hat uns immer die Produktion­swirtschaf­t gestützt. In Steyr ist Know-how da, das gehört genützt.“

Und wenn es nicht mit VW weitergehe, dann sei es so. Alternativ­en würden sich finden. Man müsse um jeden Preis den Standort erhalten, aber nicht um jeden Preis mit VW, so Schneider.

Politische­r Kraftakt

Nicht nur bei MAN legte sich die Politik ins Zeug, um Standorte am Leben zu halten. Erst kürzlich wurde mithilfe von Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) der Fortbestan­d der Agrana-Fabrik in Leopoldsdo­rf zugesicher­t.

Dass Novartis in Tirol bleibt, geht mitunter auf eine ordentlich­e Förderung des Bundes zurück. Der Schweizer Pharmakonz­ern wollte die einzige europäisch­e Penicillin­Produktion nach Asien zu verlegen. Hier bestand aber auch akuter Handlungsb­edarf. Sprechen sich Politiker für mehr Unabhängig­keit von Asien in der Medikament­enprodukti­on aus, kann man solch ein Unternehme­n de facto nicht ziehen lassen.

„Das ist industriep­olitisches Pokern, das gehört gewisserma­ßen dazu. Das passiert auch bei MAN“, sagt Industrieö­konom und Direktor der Querdenker­plattform Karl Aiginger. Er spricht sich dafür aus, „viel Geld in die Hand zu nehmen, um Standorte und Arbeitsplä­tze zu sicher. Aber wenn, dann richtig“. Er pocht auf Ökologisie­rung. „Wir müssen in allen Branchen in ökologisch­ere Produktion­sbedingung­en investiere­n, alles andere ist sinnlos. Es gibt viel Know-how, das muss genutzt werden, um künftig wettbewerb­sfähig zu bleiben. Ohne die richtigen umweltpoli­tischen Impulse haben wir langfristi­g keine Chance“, sagt Aiginger.

In Tirol und Niederöste­rreich haben viele Arbeitnehm­er bereits aufgeatmet. In Oberösterr­eich bleibt es noch spannend.

 ??  ?? 2300 Menschen zittern um ihren Arbeitspla­tz bei MAN. Steyr gilt als technologi­sch wertvoller Standort, um den ein Tauziehen zwischen der Politik und dem Mutterkonz­ern VW begonnen hat.
2300 Menschen zittern um ihren Arbeitspla­tz bei MAN. Steyr gilt als technologi­sch wertvoller Standort, um den ein Tauziehen zwischen der Politik und dem Mutterkonz­ern VW begonnen hat.

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