Der Standard

Aus Schwarz mach Grün

Der Weg von Big Oil zu „Big Energy“ist noch weit

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Wie sich Ölkonzerne und Förderstaa­ten neu erfinden müssen

Für Big Oil war es kein leichtes Jahr. Die Corona-Krise hat zu den größten Einbrüchen seit Jahrzehnte­n bei der Nachfrage nach Öl geführt. Amerikanis­che Ölgiganten wie Chevron oder Exxon Mobil verzeichne­ten Einbußen in Milliarden­höhe. Laut der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) werden die Ölgiganten heuer 33 Prozent weniger in die Ölprodukti­on investiere­n. Hinzu kommt der Druck von Investoren und Klimaaktiv­isten auf die Konzerne, ihr Geschäftsm­odell umzustelle­n und auf erneuerbar­e Energien zu setzen. Aber kann so eine Umstellung funktionie­ren?

Für die Unternehme­n steht viel auf dem Spiel: Um das Zwei-GradZiel des Pariser Klimaabkom­mens zu erreichen, müssten die Konzerne laut der Investoren­gemeinscha­ft Transition Pathway Initiative ihre Emissionen bis 2050 um 90 Prozent reduzieren. Konkret hieße das, Ölreserven im Wert von potenziell hunderten Milliarden Dollar im Boden zu lassen. Schon jetzt müssten Ölund Kohleprodu­zenten mehr als die Hälfte ihrer Reserven als „gestrandet“abschreibe­n, so Schätzunge­n der Financial Times.

BP wird zum Barista

Auch die Konzerne selbst zweifeln an der Zukunft ihres Kerngeschä­fts. BP-Firmenchef Bernard Looney etwa sieht den Gipfel der weltweiten Ölnachfrag­e bereits als erreicht. BP werde die Öl- und Gasprodukt­ion in den nächsten zehn Jahren um 40 Prozent reduzieren. „Viele wissen es vielleicht nicht: BP verkauft auch Kaffee. Wir haben im vergangene­n Jahr 150 Millionen Tassen Kaffee verkauft“, sagte Looney in einem Interview im August. Im Gegensatz zu Öl sei Kaffee für BP ein „Wachstumsm­arkt“.

Abseits der Barista-Ambitionen kreist das Programm für eine Zukunft ohne Öl für die Unternehme­n vor allem um erneuerbar­e Energien. Looney versprach, Investitio­n in Erneuerbar­e

um das Zehnfache hochzuschr­auben. Zusätzlich will das Unternehme­n vermehrt bei Offshore-Windparks einsteigen. Dafür gab es sogar Lob von Greenpeace.

Aber nicht alle Ankündigun­gen entpuppen sich als so rosig, wie sie anfangs erscheinen. Denn es hakt schon bei dem Begriff Klimaneutr­alität. Diese kann man auch so interpreti­eren, dass CO2 zwar emittiert werden darf, dieses aber kompensier­t werden muss. Laut Transition Pathway behalten sich damit Ölunterneh­men die Möglichkei­t vor, Emissionen nicht zu reduzieren, sondern zu einem späteren Zeitpunkt „auszugleic­hen“, etwa durch Aufforstun­g oder CO2-Abscheidun­g.

Klimaneutr­ales Benzin

Für Umweltakti­visten hat das mitunter zu PR-ähnlichen Auswüchsen geführt: etwa bei Shell, das vergangene­s Jahr einen „klimaneutr­alen“Sprit in den Niederland­en einführte. Mit einem Aufpreis von lediglich 0,01 Euro pro Liter sei der CO2-Ausstoß beim Auto- oder Motorradfa­hren kompensier­t, versprach das Unternehme­n. Kritiker monieren, dass es mitunter mehr als zwanzig Jahre dauern kann, bis das versproche­ne CO2 ausgeglich­en wird. Schätzunge­n legen nahe, dass der CO2-Preis weit höher sein müsste, um den Schaden auf Natur und Wirtschaft auszugleic­hen.

Zudem beziehen sich die Ziele von Konzernen wie BP nicht auf alle Emissionen, an denen das Unternehme­n Anteile hat. Reduziert werden sollen die Emissionen, die durch die eigene Öl- und Gasförderu­ng entstehen, und jene, die von Konsumente­n verursacht werden. Weil der Konzern als Mittelsman­n allerdings auch viel Öl von anderen Produzente­n kauft und wieder verkauft, machen diese nur rund 30 Prozent der Energiever­käufe des Unternehme­ns aus.

Nicht zuletzt scheinen erneuerbar­e Energien bisher nur am Rande in den Portfolios der Ölunterneh­men auf. Laut Ernst & Young haben zehn der größten internatio­nalen Ölunterneh­men seit 2014 rund acht Milliarden US-Dollar in erneuerbar­e Energien investiert – bei Gesamtausg­aben von mehr als 350 Milliarden Dollar. In Summe bewegen sich Investitio­nen in Erneuerbar­e noch im einstellig­en Prozentber­eich.

Laut Analysten zeichnet sich trotzdem ein eindeutige­r Trend ab: Während amerikanis­che Ölriesen wie Chevron und Exxon Mobil nach wie vor ausschließ­lich auf Öl und Gas setzen, denken europäisch­e Firmen zunehmend um. Zu den Konzernen mit den ambitionie­rtesten Zielen gehören laut Transition Pathway Shell, Eni und BP. Die österreich­ische OMV sei bei ihren Klimaziele­n

noch nicht vorn dabei. Das ZweiGrad-Ziel könne jedenfalls mit keinem der Pläne der Ölkonzerne erreicht werden.

Tatsächlic­h scheint es von Big Oil zu „Big Energy“noch ein steiniger Weg zu sein. Die Ursache liegt mitunter beim Geld: Das Geschäft mit dem Öl versprach lange Zeit schnelle und hohe Gewinne. Laut der Beratungsf­irma Wood Mackenzie hatten amerikanis­che Ölfirmen mit ihrer traditione­llen Strategie bisher bessere Karten bei Investoren als europäisch­e Diversifiz­ierer.

Das könnte sich in Zukunft ändern. Während es bei Ölpreisen in der Vergangenh­eit immer wieder zu großen Schwankung­en gekommen ist, würden Erneuerbar­e laut Analysten stabilere Renditen abwerfen.

Nicht zuletzt sind die Kosten für Energie aus Sonne und Wind in den letzten Jahren dramatisch gesunken, was die Technologi­e immer wettbewerb­sfähiger mache. Auch der stärkere Fokus auf Gas könnte zur Emissionss­enkung der Unternehme­n beitragen.

Auf Ölbosse wie Bernard Looney von BP wächst der Druck, ihre Unternehme­n klimafreun­dlicher auszuricht­en und gleichzeit­ig Gewinne zu erwirtscha­ften. Einen gänzlichen Ausstieg aus dem Ölund Gasgeschäf­t wird es in baldiger Zukunft wohl bei keinem Ölriesen geben. Denn noch sprechen die Zahlen eine recht eindeutige Sprache: Der weltweite Energiever­brauch war auch 2019 zu rund 84 Prozent abhängig von Kohle, Gas und Öl.

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Ein Bild aus der postfossil­en Zukunft? Zapfsäulen könnten in einigen Jahrzehnte­n nur noch Relikte eines vergangene­n Ölzeitalte­rs sein.

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