Scheuers Maut-Bürde wächst
Die Mautbetreiber belasten im deutschen U-Ausschuss Verkehrsminister Scheuer (CSU) schwer. Man habe ihm eine Verschiebung des Projekts bis nach dem EuGH-Urteil angeboten – aber er wollte nicht
Allein das Datum erinnert noch einmal an das Scheitern des einst so großen Prestigeprojekts der CSU. Am gestrigen
1. Oktober 2020 hätte in Deutschland die Pkw-Maut für Ausländer in Kraft treten sollen – ausgearbeitet vom CSU-Verkehrsministerium.
Doch es gibt diese Verkehrsabgabe für „Gebietsfremde“, wie es sachlich formuliert heißt, nicht. Der EuGH hat das Vorhaben wegen Verstoßes gegen EU-Recht ja noch vor dem Start gekippt.
Stattdessen eilen also an diesem
1. Oktober 2020 Bundestagsabgeordnete in das Marie-Elisabeth-LüdersHaus des Parlaments, um den Scherbenhaufen aufzukehren.
Schon viele Sitzungen hat es im Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags gegeben, aber jene am Donnerstag hat die Opposition im Vorfeld besonders herbeigesehnt. Als Zeugen geladen sind Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und die Mautbetreiber, darunter der Chef der österreichischen KapschGruppe, Georg Kapsch.
Dieser sollte sich ab dem Mittag für seine Aussage vor dem Ausschuss bereithalten, muss jedoch erst einmal warten. Zunächst betritt Volker Schneble den großen Sitzungssaal. Er ist Geschäftsführer
der Firma autoTicket, die die Maut für den Bund hätte einheben sollen. Gesellschafter sind CTS-Eventim und das österreichische Unternehmen Kapsch.
Zunächst ist Schneble voll des Lobes für Verkehrsminister Scheuer. Die Zusammenarbeit „mit dem Auftraggeber war kooperativ“, sagt er und berichtet dem Ausschuss zudem, dass das Projekt „planmäßig gelaufen ist“.
Doch das war es auch schon an Freundlichkeiten. Hörbar sauer wird Schneble, als die Rede auf den 19. Juni 2019 kommt. An diesem Tag, einen Tag nach dem Urteil des europäischen Höchstgerichts, flatterte den Mautbetreibern nämlich die Kündigung ins Haus.
Kurzschlussreaktion
Nur Stunden vor dem Rauswurf habe er noch eine E-Mail des deutschen Kraftfahrtbundesamtes bekommen. Diese sei so formuliert gewesen, dass man von einer künftigen Zusammenarbeit ausgehen habe können.
Über die Kündigung Scheuers sagt Schneble: „Das war eine Kurzschlussreaktion. Der Minister agierte hektisch und suchte nach einem Ausweg.“Der hieß dann „Schlechtleistung.“Scheuer behauptete, die
Mautbetreiber hätten ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht.
So wollte er Schadenersatzforderungen der Mautbetreiber verhindern. Doch diese gibt es, sie belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Schneble sagt, nie wurde seitens des Ministeriums Unzufriedenheit gegenüber den Betreibern geäußert. Die Kündigung sei allein auf das Urteil des EuGH zurückzuführen und daher sei Schadenersatz fällig.
Angebot für Verschiebung
Nach vier Stunden ist der nächste Zeuge dran: Klaus-Peter Schulenberg, der Chef von CTS Eventim. Er muss gar nicht nach dem 29. November 2018 gefragt werden, er kommt gleich von selbst in seinem Eingangsstatement auf diesen heiklen Termin zu sprechen.
An diesem Tag waren er und Georg Kapsch bei Scheuer im Verkehrsministerium zum Frühstück geladen. Das Angebot für die Maut war schon abgegeben, doch die Lage nicht einfach.
Zum einen stand noch das EuGHUrteil aus, zum anderen gab es eine Kluft von einer Milliarde Euro zwischen dem, was Scheuer zu zahlen bereit war, und jener Summe, die die Betreiber forderten.
Schulenberg schildert die Szene im Ministerium so: „Schulenberg, Sie müssen was für Deutschland tun“– das habe Scheuer zu ihm gesagt. Gemeint war natürlich, dass der Preis zu drücken sei.
Doch Schulenberg machte Scheuer ein ganz anderes Offert: „Ich habe angeboten, der Bund könne bis nach dem EuGH mit dem Auftrag warten.“Scheuer aber lehnte ab, er wollte die Maut unbedingt pünktlich ab 1. Oktober 2020 erheben.
Das Problem für ihn: Im Bundestag wurde er im November 2019 gefragt, ob ihm tatsächlich die Verschiebung er Maut angeboten worden sein. Seine Antwort damals: Das sei „kein Thema“gewesen.
Für die Opposition ist nach Schulenbergs Auftritt Scheuers Rücktritt noch viel dringlicher. Denn Scheuer habe das Parlament belogen.
Und während sich Kapsch auf seinen Auftritt in den Abendstunden vorbereitet, macht auch Schulenberg noch einmal kein Hehl aus seinem Frust über das geplatzte MautGeschäft.
Scheuer habe einfach nach dem EuGH-Urteil gekündigt, anstatt gemeinsam mit den Betreibern nach einer Lösung zu suchen. Schulenburg: „Von einem fairen Umgang mit Geschäftspartnern ist dieses Vorgehen weit entfernt.“