Der Standard

Tetris-Steine auf Kuschelkur­s

Saisoneröf­fnung mit „Rand“am Schauspiel­haus

- Stephan Hilpold

Ich bin ein Tetris-Stein.“Im Ranking erster Sätze von Theaterabe­nden würde die Uraufführu­ng von Rand im Wiener Schauspiel­haus einen vorderen Platz belegen. Es treten auf: fünf in neongrelle Ganzkörper­anzüge gepresste Figuren, die jeweils einen Bauklotz aus dem Computersp­iel-Klassiker verkörpern. Ihre Aufgabe: Sich ineinander­zuschieben, bis sie eine Fläche bilden. „Das macht uns Spaß“, erklären sie. Den Zuschauern ergeht es nicht viel anders.

Später an diesem Abend werden noch einige sonderbare Gestalten mehr auftreten. Darunter ein Priester auf Kakerlaken­jagd, eine hungrige Micky Maus und ein Einhorn im Regenbogen-Reifrock. Ihnen gemeinsam ist, dass sie sich irgendwo am Rand verorten und gern in die Mitte möchten. So etwas wie eine nacherzähl­bare Handlung gibt es im neuesten Stück der Wiener Autorin Miroslava Svolikova nicht.

Die einzelnen Szenen werden von einer theoretisc­hen Setzung zusammenge­halten, und zwar jener, dass es die Ränder sind, die die Mitte konstituie­ren. Für eine Seminararb­eit eine valide These, für ein Theaterstü­ck aber eine etwas sperrige Angelegenh­eit.

Retro meets Zukunft

Dabei lässt das Team rund um den Hausherrn und Regisseur Tomas Schweigen auf der Bühne des Schauspiel­hauses wenig unversucht, Svolikovas durchaus vergnüglic­hen Szenenreig­en mit Leben zu füllen. Da blasen sich wie von Geisterhan­d riesige Ballone auf, da schlüpfen die Schauspiel­er in wunderbar poppige Kostüme (Bühne: Stephan Weber, Kostüme: Giovanna Bolliger).

Retro-Nostalgie vermählt sich mit Space-Age-Futurismus und wenn die drei Soziologen auf die Bühne kraxeln, dann vermeint man sogar, in einem Thriller zu sitzen. Eine von ihren Kollegen gemobbte Soziologin bringt mithilfe eines Tetris-Stein-Beines ihre Wissenscha­ftskollege­n um. Das ergibt (als Projektion auf den Ballonen) ein schönes Blutbad, so etwas wie einen Höhepunkt aber nicht. Dafür passieren die Morde viel zu früh an diesem herkömmlic­he Dramaturgi­en suspendier­enden Abend.

Genau so wie sich das Randständi­ge in der Mitte des Stücks wiederfind­et, nehmen Randbemerk­ungen sein Zentrum ein. Astronaute­n vergessen, warum sie sich eigentlich im All befinden, ein Chor von Kakerlaken beklagt sein Leid.

Nur einmal schafft es eine Figur, sich inmitten all der Randersche­inungen zu behaupten. Der von Sebastian Schindegge­r gespielte Terrorist mit Ladehemmun­g beklagt sein Verliererd­asein. Der herkömmlic­he Theatermon­olog nimmt sich inmitten des Szenenreig­ens aber wie ein Fremdkörpe­r aus. Vom Rand in die Mitte: So richtig wohl, fühlt man sich auch dort nicht.

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