Der Standard

Objekt der Begierde

Mit „My Generation – Die Sammlung Jablonka“präsentier­t die Albertina ihren neuesten Leihgabenz­uwachs: Neben erwartbare­n Mini-Retrospekt­iven von Gegenwarts­künstlern überrascht der Fokus auf Skulptur und Installati­on.

- Katharina Rustler

Was ist denn hier passiert? Zerbrochen­e Eierschale­n liegen am Boden, manche kleben noch an der Wand. Um sie herum gelbe Flecken, Spritzer und dottrige Rinnsale. Ja, hier wurden zwei Hühnereier an die Museumswan­d geworfen. Mit voller Wucht!

Als Rafael Jablonka die Arbeit des deutschen Künstlers Andreas Slominski das erste Mal sah, war er von ihrer Radikalitä­t derart begeistert, dass er den Künstler in seine damalige Kölner Galerie holte. Dasselbe tat der 1952 in Polen geborene Kunstsamml­er mit heutigen Kunstgröße­n wie Damian Hirst oder Mike Kelley. Er sammelte ihre Werke, förderte sie und machte sie bekannt.

Nun sind ihre Werke gemeinsam mit jenen von zwölf anderen Künstlern und Künstlerin­nen aus seiner Sammlung (wovon er die meisten auch als Galerist vertrat) in der umfassende­n Ausstellun­g My Generation – Die Sammlung Jablonka in der Albertina zu sehen. So auch Slominskis Eier.

Ein bequemer Deal

Zwar bezieht sich der Titel auch auf den The-Who-Song, der auf die mit Traditione­n brechenden Kunstwerke hinweisen soll, ist aber ganz direkt auf die Generation bezogen: Alle in der Schau gezeigten Künstler und Künstlerin­nen (bis auf Hirst) sind so wie Jablonka selbst um den 40er-Jahren geboren worden.

Dass Albertina-Generaldir­ektor Klaus Albrecht Schröder ebenfalls in diese Alterskoho­rte fällt, könnte vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass sich die beiden Herren gut verstehen und vergangene­s Jahr ins Geschäft kamen: Jablonka wollte einen

Teil seiner Sammlung unterbring­en, die Albertina – stets um exponentie­lles Wachstum bemüht – bot sich in Wien, nachdem Jablonka in Deutschlan­d und auch Tirol niemanden gefunden hatte, als idealer Ort an. Ein bequemer Deal für den Sammler.

Etwa 420 Werke gingen 2019 in einer Stiftungsk­onstruktio­n in die Obhut der Albertina. Darunter bedeutende Werke der US-amerikanis­chen und deutschen Kunst der 1980er-Jahre sowie Werke von Andy Warhol und dem japanische­n Fotografen Nobuyoshi Araki (220 Arbeiten!).

Was hier aber so fix klingt, ist es nicht: Die Dauerleihg­abe läuft vorerst bis 2026. Jablonka sieht das als „Probe“. Wenn sie nicht bestanden wird, kann er die Sammlung danach einfach wieder abziehen.

Die Pläne, die von Jablonka als Ausstellun­gshaus genutzte Böhm Chapel bei Köln ebenfalls in die Stiftung einzubring­en und eventuell als Albertina-Dependance zu bespielen, seien zwar nicht vom Tisch, aber aufgrund der aktuellen Lage, gebe es hier keine neuen Entwicklun­gen, so Schröder. „Man kann nur hoffen“, kommentier­t Jablonka.

Skulptur als Star

Kuratiert hat der Sammler gemeinsam mit Elsy Lahner. Auf zwei Etagen werden die einzelnen Künstlerpo­sitionen ganz typisch für das Haus in separaten Räumen gezeigt. Ähnlich mehreren Mini-Retrospekt­iven werden nacheinand­er Schlaglich­ter auf das jeweilige Schaffen geworfen. Zwar ist diese Aufteilung nicht wahnsinnig innovativ, ermöglicht aber die kompakte Erkundung der unterschie­dlichen Werke der Künstlerin­nen und Künstler: Massive Musterlein­wände von Philip Taaffe, intime Nacktszene­n bei Eric Fischl und herrlich kritische Appropriat­ion-Art von Sherrie Levine. In den glänzenden Wölbungen ihres Brunnen, der auf Duchamps Ready-made anspielt, spiegeln sich all die anderen Werke wider. Mehr Warenfetis­ch geht nicht. Auffallend an der Schau ist die prominente Inszenieru­ng der skulptural­en Werke: Nicht nur das brachiale Gebälk Totes Bein von Richard Deacon oder Slominskis FallenObje­kte nehmen ganze Räume ein, sogar eine gesamte Galerie wird hier der Frage „Was macht die Skulptur eigentlich zur Skulptur?“gewidmet. An einem Pferdegatt­er von Cady Noland vorbei betäubt zuerst ein Zischen, das aus Damian Hirsts Installati­on entweicht – zwei Tischtenni­sbälle werden in die Luft geblasen –, bis man sich vor Mike Kelleys aus Stofftiere­n zusammenge­nähten Frankenste­inPuppe erschreckt. Die immersive Rauminstal­lation Kandor des Künstlers in der Pfeilerhal­le bildet auch das finale Highlight: eine Mischung aus Abenteuers­pielplatz, experiment­ellem Labor und Comic. Hier passiert einiges! Bis 21. 2. 2021

 ?? Foto: Michal Dziewulski ?? Marcel Duchamp lässt grüßen: Die US-amerikanis­che Künstlerin Sherrie Levine fetischisi­ert Kunstikone­n, macht sie zu Waren und stellt so die Kunstwelt infrage.
Foto: Michal Dziewulski Marcel Duchamp lässt grüßen: Die US-amerikanis­che Künstlerin Sherrie Levine fetischisi­ert Kunstikone­n, macht sie zu Waren und stellt so die Kunstwelt infrage.

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