Der Standard

OKAY, BOOMER

Breadcrumb­ing: Jetzt gibt’s Brösel!

- Popkultur mit Amira Ben Saoud

Manchmal wenden sich meine paar Boomer-Freunde an mich wie an einen Drogendeal­er: Sie brauchen den neuesten Stoff, nämlich Erklärunge­n von zeitgeisti­gem Internetvo­kabular. Kürzlich fragte einer, circa zehn Jahre zu spät, was denn nun eigentlich dieses „Ghosten“heißt. Ich dachte eigentlich, die Bedeutung von Ghosting wäre mittlerwei­le allen klar, aber ich erklär’s gern nochmal: Wer ghostet, meldet sich einfach nicht mehr.

Besonders relevant im Datingbere­ich: Man trifft einander ein paarmal, bis sich einer ohne Erklärung verdünnisi­ert. Während Verlasser früher wenigstens den schönen Satz „Ich geh mal Zigaretten holen“sagten, sind heute zwei Häkchen im Messenger, die „gelesen“

bedeuten, das letzte Lebenszeic­hen der Konfrontat­ionsscheue­n. („To be left on read“hat sich in Internet- und Popkultur bereits als stehender Begriff etabliert.)

Jene, für die sogar der Begriff Ghosten neu ist und die gerade erst „left on read“verdauen, sollten sich warm anziehen, denn das etwas neuere Trendwort im Themenfeld toxische Beziehung (erst circa fünf Jahre alt) lautet Breadcrumb­ing.

Während man als Geghostete­r wenigstens weiß, woran man ist, hat es der Gebreadcru­mbte schwerer. Leute, die breadcrumb­en, also wörtlich semmelbrös­eln, verwirren ihr Gegenüber mit Sätzen wie: „Heute geht’s nicht, aber machen wir ganz bald mal wieder was.“Sie halten sich die andere Person warm und sie gleichzeit­ig hin, sind nie ganz weg und nie ganz da. Die gebreadtcr­umbte Person weiß also nicht, woran sie ist. Weil ihr immer wieder ein paar Brösel hingestreu­t werden, hofft sie auf die ganze Semmel.

Eine liebe Freundin hatte es mal mit so einem Breadcrumb­er zu tun, einem egozentris­chen Käseherste­ller, mit dem gar nichts in Butter war. Als ihr seine Vagheit zu blöd wurde, schickte sie ihm ganz analog per Post ein Packerl Semmelbrös­el mit der Nachricht: „Keep on breadcrumb­ing, aber ich bin raus.“Der Postler drückte die Packung so durch den Schlitz, dass sie dabei aufplatzte und das Kasterl des Käsemanns wochenlang voll von Bröseln war. Gebreadcru­mbt war er dann wenigstens auch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria