Der Standard

Türkis gegen den Rest der Welt

Wolfgang Sobotkas Sturheit ist eine Verhöhnung des Parlamenta­rismus

- Fabian Schmid

Man muss sich einmal ganz ruhig vor Augen führen, was die letzten Monate im Ibiza-U-Ausschuss passiert ist. Abgeordnet­e aller Fraktionen suchen nach Geldflüsse­n einiger Firmen, darunter besonders der Novomatic, an parteinahe Vereine oder Politiker. Und diesem Treiben steht als Vorsitzend­er ein Mann vor, dessen eigener Verein, das Alois-Mock-Institut, in den Jahren 2013 bis 2016 offenbar 60.000 Euro „Kostenersa­tz“von der Novomatic erhalten hat: Wolfgang Sobotka. Und als dieser dann selbst als Auskunftsp­erson geladen wird – an sich schon unfassbar –, da sagt er auf Punkt und Komma nur das Allernötig­ste; er spricht lediglich vom Untersuchu­ngszeitrau­m und erwähnt nicht, dass der Verein schon im Jahr nach der Gründung 30.000 Euro von der Novomatic bekommen hat. W äre Sobotka eine normale Auskunftsp­erson, würde man ihm vorwerfen, den U-Ausschuss in die Irre geführt zu haben. Aber er ist dessen Vorsitzend­er, und das ist die maximale Verhöhnung dieses Untersuchu­ngsgremium­s. Es ist ja nicht das Mock-Institut allein: Sobotka war mehrfach bei Novomatic-Gründer Johann Graf – zuletzt zu einem Zeitpunkt, als sich der U-Ausschuss schon abgezeichn­et hat. Grafs von ihm mit Millionen beschenkte Großnichte, Ehefrau des Aufsichtsr­atschefs, war Mitarbeite­rin im Büro Sobotka. Sobotkas einstiger Sprecher war jahrelang Novomatic-Konzernspr­echer. Und so weiter und so fort.

Mittlerwei­le sind vier von fünf Fraktionen im U-Ausschuss dagegen, dass Sobotka den Vorsitz weiter ausführt. Davon, dass er als Vorsitzend­er keine Mehrheit mehr hinter sich hat, ist Sobotka völlig unbeeindru­ckt – abwählen kann man ihn ja nicht.

Auch die ÖVP hält stur an Sobotka fest, genau wie an vielen anderen, die in die Affäre Novomatic verwickelt sind. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe, Dinge zu erklären. Als Finanzmini­ster Gernot Blümel gefragt wird, warum er unter Türkis-Blau so viel mit dem damaligen Novomatic-Chef gechattet hat und sich zu klandestin­en Treffen verabredet­e, meinte der, die Corona-Krise zeige ja, wie wichtig Kommunikat­ion mit Unternehme­n sei. Damals existierte Corona halt noch nicht, und Blümel war auch Kunst-, Medien- und Europa- statt

Finanzmini­ster, aber was soll’s. Er traf den Novomatic-Chef im Schloss eines ÖVP-Spenders, in denen man sich „zurückzieh­en“kann; die Schlossher­rin fand schon vorher Aufnahme ins Kabinett des Finanzmini­steriums. Bei seiner Befragung im U-Ausschuss erlitt Blümel dann mehr als 80 Erinnerung­slücken; jetzt führt er die ÖVP Wien in seinem Nebenjob in die Wien-Wahl. Man kann in dieser neuen ÖVP unter falschem Namen und gegen Protest von Beamten Festplatte­n schreddern; man kann die Ausschreib­ung für die Stelle mitgestalt­en, für die man sich später bewirbt – es hat keine Konsequenz­en: außer, dass Stimmung gegen die Justiz gemacht wird, wenn sie diese Vorfälle untersucht.

Frisch und modern ist daran nichts; das sollte auch Kanzler Sebastian Kurz zu denken geben. Loyalität ist eine gute Sache, und es zeichnet Kurz aus, Vertraute nicht beim ersten Gegenwind fallenzula­ssen. Aber in all diesen Fällen wird der Bogen überspannt – und auch das wird dereinst von der Ära Kurz überbleibe­n. Ob man, wie geplant, ein großes Transparen­zund Antikorrup­tionspaket schnüren kann, wenn man politische Sauberkeit nicht lebt, bleibt da fraglich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria