Der Standard

Künstliche­s Koma

- Andreas Schnauder

Auch Corona-Not macht erfinderis­ch, insbesonde­re die Politik. In einer neuen Form staatliche­n Dirigismus werden neuerdings nicht nur Auffangnet­ze für Arbeitnehm­er und Betriebe geknüpft, sondern auch betriebswi­rtschaftli­che Entscheidu­ngen getroffen. Einmal ist es die Zuckerfabr­ik der Agrana, die nicht geschlosse­n werden darf, dann wird der Novartis-Standort in Kundl mit hohen Subvention­en abgesicher­t, Semperit der Verkauf der Medizinspa­rte erschwert, und nun soll der wackelnde MAN-Standort in Steyr gerettet werden. Die ÖVP-geführte Regierung ist im Olymp des Interventi­onismus angekommen.

Eines muss man Margarete Schramböck, Elisabeth Köstinger und anderen türkisen Kabinettsm­itgliedern lassen: Nie war der Ruf nach dem Staat so groß wie seit dem Corona-Ausbruch. Nie der Handlungsr­adius der Politik so groß. Dieser Spielraum wird gern genützt, was freilich einige Fragen aufwirft: Welche Rettungsak­tion ist volkswirts­chaftlich gerechtfer­tigt und auch nachhaltig? Der Einsatz politische­n Kleingelds kann auf Dauer nämlich zu ziemlich hohen Rechnungen für den Steuerzahl­er führen, die für ihre Leistungen nichts erhalten. Das ist beispielsw­eise der Fall, wenn ein kaputter Betrieb auch mit Subvention­en nicht am Leben erhalten werden kann. Populistis­che Großzügigk­eit wird da nicht nur zum Milliarden­grab, sondern verhindert auch die rasche Umschulung von Arbeitnehm­ern und Ansiedlung zukunftstr­ächtiger Betriebe.

Bei der Penicillin­herstellun­g in Tirol – der einzigen in Europa – sticht die Bedeutung für Versorgung und Forschung heraus. In der Zuckerindu­strie gilt das nicht, zumal das nächste Agrana-Werk nicht weit entfernt liegt. Bei der von Überkapazi­täten geprägten Lkw-Herstellun­g, die schon vor Corona in Gefahr war, darf der Sinn eines künstliche­n Komas zumindest bezweifelt werden.

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