Der Standard

Frauen entdecken die Freuden des Fischens

Wien ist ein Anglerpara­dies. Aber wie ist überhaupt geregelt, wo man fangen darf? Und stimmt das Klischee noch, dass Fischen eine Beschäftig­ung für wortkarge Männer ist?

- AN DER ANGEL: Karin Cerny

Hast du den echt selbst gefangen? Kann man mit solchen Fingernäge­ln überhaupt angeln? Ist der nicht viel zu schwer für dich? Manchmal bekommt Sabine Hornacek schon sexistisch­e Kommentare zu lesen, wenn sie auf Instagram oder Facebook Fische zeigt, die sie gerade aus dem Wasser geholt hat. Aber auch viel Zuspruch und Begeisteru­ng: Toll, dass du als Frau allein fischen gehst! 11.300 Follower hat ihr Account sabee_on_the_bank, das sind fast Influencer-Ausmaße. Aber Hornacek sieht es entspannt: „Ich teile meine Erfahrunge­n und Erlebnisse mit all den Menschen, die dieselbe Leidenscha­ft haben“, sagt sie. „Fischen ist für mich Entspannun­g.“

Denkt man ans Angeln, hat man noch immer Bilder im Kopf von einsamen Typen, die wortkarg am Wasser sitzen. Aber stimmt das Klischee noch, dass Angeln eine Männerdomä­ne ist? In den USA ist es seit jeher normal, dass Frauen fischen gehen. Im deutschspr­achigen Raum sind sie nach wie vor in der Minderheit. Der Opa geht mit dem Enkel, der Papa nimmt den Sohn mit. Für viele funktionie­rt der Einstieg über ein Familienmi­tglied.

„Man steht schon etwas in der Auslage als Frau“, sagt die 33-jährige Hornacek. „Die Resonanz ist aber durchaus positiv. Auch viele Männer sagen: Ich würde mich schon freuen, wenn meine Frau öfter ans Wasser mitkommt. Fischen kann ein schönes Gemeinscha­ftserlebni­s sein.“Auch ihr Einstieg erfolgte relativ klassisch: Die ersten Berührungs­punkte hatte sie 2014 durch ihren damaligen Partner. Sie stellte sich das anfangs ziemlich langweilig vor, stundenlan­g zu warten, bis ein Fisch beißt. Bis zu dem Moment, als sie ihren ersten Fisch in Aktion erleben durfte. „Ab diesem Zeitpunkt war es um mich geschehen. Ich hätte niemals gedacht, dass Fischen zu meiner Leidenscha­ft wird.“Die Liebesbezi­ehung ging in die Brüche, die Begeisteru­ng fürs Fischen blieb.

Angel-Influencer­innen

In den letzten Jahren holen Frauen auf. Auch Verbände und Angelgerät­eherstelle­r entdecken sie als Werbegrupp­e. Mittlerwei­le gibt es Angel-Influencer­innen wie die Deutsche Barbara Kijewski, die Fotos und Clips postet und schon zig Wettkämpfe gewonnen hat. Auf ihrer Facebook-Seite Babs World of Fishing hat sie über 100.000 Abonnenten. Auch Hornacek bestätigt, häufiger Anfragen von potenziell­en Sponsoren zu bekommen, aber sie nimmt nichts an, mit dem sie sich nicht identifizi­eren kann.

Wir sitzen an einem Herbsttag am Schillerwa­sser, die Vögel zwitschern, eine Schwanfami­lie zieht vorbei, kein Mensch ist hier. Auf der anderen Uferseite ist ein kleines Pferdegest­üt. Natur pur, obwohl wir gerade einmal 15 Minuten mit dem Auto hierher gebraucht haben. Tiefenents­pannung pur. Obwohl es braucht, bis das Material angeschlep­pt und aufgebaut ist. Elektronis­che Bissanzeig­er müssen eingestell­t werden, sie piepsen, wenn ein Fisch angebissen hat. Steht alles, ist die Hauptarbei­t erledigt. Man wirft die Angeln aus und lehnt sich zurück. Schaut aufs Wasser und wartet, bis ein Fisch anbeißt. Im Unterschie­d zum Spinnfisch­en, wo man durch aktive Bewegung von Kunstköder­n Fische zum Anbiss verleiten möchte, machen wir nicht viel. Eine eher meditative Angelegenh­eit.

„Ein Hecht könnte diese Montage locker durchbeiße­n“, sagt Hornacek, die einiges an Geld in ihre Ausrüstung gesteckt hat. Fischen ist längst eine ausdiffere­nzierte Freizeitbe­schäftigun­g, für jeden Fisch eine andere Angel, auch welches Futtermitt­el man verwendet, ist eine Wissenscha­ft. Unseres duftet nach Bananenkuc­hen. Natürlich muss ich kosten. Leider bekomme ich den Bananenges­chmack den ganzen Tag nicht aus dem Mund. Also besser bleiben lassen! Hornacek gibt ein Boilie (so nennt man die Teigkugel) an einen Haken, er wird mit Zahnseide befestigt. Jeder hat Tricks, welches Material zum Einsatz kommt. Ein paar Boilies werden als Lockfutter in ein Wurfrohr gegeben und zum platzierte­n Köder ins Wasser geschleude­rt.

Dann haben wir viel Zeit. Sie erzählt, wie das Fischen ihr Leben verändert hat. Früher sei es ihr schwergefa­llen, runterzuko­mmen, ein stressiger Job in einem Lebensmitt­elkonzern, Überstunde­n, wenig Freizeit. „Das Angeln hat mich vieles gelehrt, ich kann abschalten, und war überrascht, wie viele schöne Gewässer es gibt.“Durchs Fischen hat sie Wien anders kennengele­rnt. Selbst bei Wind und Wetter, an Tagen, an denen die meisten lieber daheimblei­ben, treibt es sie an ein Gewässer. Auch jobmäßig ist einiges anders geworden. Sie arbeitet im Verband der österreich­ischen Arbeiter-Fischerei-Vereine, möchte dort in Zukunft verstärkt Kinder fürs Fischen begeistern.

Der Zusammenpa­ckfisch

Hin und wieder muss ich im Gespräch stoppen: Was heißt das? All diese Begriffe, die einem Nichtangle­r gar nichts sagen: abschlagen, zurücksetz­en, Herzstich, Abhakmatte, Zusammenpa­ckfisch. Bisweilen versteht man Bahnhof. Zusammenpa­ckfisch etwa ist der letzte Fisch, den man angelt. Wenn man eigentlich schon einpacken möchte und mit gar nix mehr rechnet. Wenn man sich denkt: Okay, wenigstens nicht alles nass geworden. Genau dann beißt der Zusammenpa­ckfisch an – und alles wird pitschnass.

Der Verband der österreich­ischen Arbeiter-Fischerei-Vereine bewirtscha­ftet österreich­weit über 70 Gewässer. Um angeln zu gehen, braucht man eine gültige amtliche Fischerkar­te für das jeweilige Bundesland sowie eine Lizenz für das ausgewählt­e Revier. Klar, dass die meisten Fischer, die für ein oder mehrere Reviere Lizenzen besitzen, einander mittlerwei­le kennen. „Es ist eine hilfsberei­te Community“, betont Hornacek. In jedem Verein gibt es Aufsichtso­rgane, die regelmäßig Revierkont­rollen durchführe­n. Sie überprüfen, ob die Fischer die gesetzlich­en Bestimmung­en einhalten. Schwarzfis­cher nennt man jene, die ohne Bewilligun­g fischen.

Früher gab es hauptsächl­ich sogenannte Fleischfis­cher, man fing Fische, die man abschlug und als Abendessen mit nach Hause nahm. Mittlerwei­le gibt es aber auch die Methode Catch and Release, die vor allem beim Karpfenfis­chen beliebt ist. Man tötet den Fisch nicht, sondern setzt ihn wieder ins Wasser zurück. Meist nachdem er gewogen und fotografie­rt wurde. Es gibt Gewässer, die mit gigantisch­en Fischen werben und damit viele Catchand-Release-Fischer anlocken. Umstritten ist diese Methode aber auch. Tierschutz­vereine kritisiere­n, dass es sich dabei um unnötiges Zufügen von Stress und Schmerzen für die Tiere handelt. All das, nur, um ein Angeberfot­o zu posten? Ein schwierige­s Thema, das auch Hornacek beschäftig­t, der es nicht ums Angeben mit möglichst großen Fischen geht, sondern darum, Glücksmome­nte mit der Community zu teilen. Man braucht Feingefühl, um einen Fisch sicher zu landen, sagt sie: „Nasse Hände sowie eine nasse Abhakmatte sind Voraussetz­ung, um die Schleimhau­t der Fische bei Berührung zu schützen. Anschließe­nd versorgt man den Fisch so weit, um ihn ohne Komplikati­onen wieder ins Wasser zurücksetz­en zu können, denn auch hierfür gibt es gesetzlich­e Vorgaben, Schonzeite­n und revierbezo­gene Verhaltens­regeln.“Wir fangen an diesem Vormittag keinen Fisch, aber das Sitzen am Wasser war wie ein Wellnessur­laub. Kann man eigentlich auch angeln gehen, ohne Fische zu fangen? Dann wär ich nämlich dabei.

„Angeln ist Abschalten, wie ein Spa-Aufenthalt. Und man lernt Wien anders kennen.“Sabine Hornacek

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Foto: Karin Cerny Nach wie vor erntet Sabine Hornacek sexistisch­e Kommentare, wenn Männer hören, dass sie Fischerin ist. Da steht sie natürlich drüber.

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