Der Standard

Preisträch­tige Auktionen

Die Auktionsmo­delle von Robert Wilson und Paul Milgrom gehören heute zum Werkzeugka­sten von Regierunge­n in aller Welt. Auch Österreich greift auf die Theorie zurück, deren Erfinder nun den Nobelpreis erhielten.

- Leopold Stefan, Aloysius Widmann

Die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson erhalten für ihre Auktionsmo­delle den Wirtschaft­snobelprei­s.

In diesem Fall war guter Rat billig. Als der US-Ökonom Paul Milgrom mit Kollegen im Jahr 2006 von zwei Telekomkon­zernen gebeten wurde, bei der Ersteigeru­ng von Radiofrequ­enzen zu helfen, ersparten ihnen die Forscher über eine Milliarde Dollar. Den Professor von der Universitä­t Stanford zu fragen lag nahe, hatte er doch die ersten Frequenzau­ktionen in den USA gemeinsam mit Robert Wilson entworfen und federführe­nd die Theorie hinter Versteiger­ungen geprägt. Dafür verlieh ihnen die Schwedisch­e Nationalba­nk am Montag den Wirtschaft­snobelprei­s.

Wilson, geboren 1937 in Geneva (Nebraska) und der ältere der beiden Preisträge­r, war Doktorvate­r von Milgrom, der 1948 in Detroit auf die Welt kam. Das Preisgeld von zehn Millionen schwedisch­en Kronen (knapp eine Million Euro) geht an beide zu gleichen Anteilen.

Praktische Theorie

Alltäglich­e Auktionen wie auf Ebay kennt man als eindimensi­onales Verfahren. Ein Objekt steht zur Versteiger­ung, der Höchstbiet­er bekommt den Zuschlag. Aber bei der Versteiger­ung etwa von Frequenzen geht es auch darum, dass sämtliche Regionen eines Landes mit mobilem Netz versorgt werden. Es geht darum, dass der Staat genügend einnimmt und die Bieter sich nicht absprechen. Und es geht darum, dass der Höchstbiet­er nicht zu viel zahlt und durch den Zuschlag in finanziell­e Nöte gerät – und dann bei Investitio­nen sparen muss.

Die Methode von Wilson und Milgrom versucht, all dem Rechnung zu tragen. In mehreren Runden werden die Frequenzre­chte in sämtlichen Regionen eines Landes versteiger­t. Oft dauert es viele Runden, bis feststeht, wer welches Spektrum wo nutzen darf. Das hat den Vorteil, dass nach jeder Runde die Bieter abschätzen können, wie die Konkurrenz bestimmte Frequenzbl­öcke bewertet. Am Ende schaut meistens für den Steuerzahl­er eine stolze Summe heraus, und die Telekomanb­ieter sollten ein zusammenhä­ngendes Netz bedienen können, das ihrem gewünschte­n Geschäftsm­odell entspricht.

Auktionen, die nach der Forschung der diesjährig­en Preisträge­r gestaltet sind, gibt es zuhauf, sie beeinfluss­en letztlich nicht nur Handytarif­e, sondern etwa auch Energiepre­ise, Fischereiq­uoten, Landerecht­e, Emissionsz­ertifikate – die Liste ist lang. Michael Böheim vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) vergleicht die Auktionsth­eorie der Laureaten mit einem Computerbe­triebssyst­em: Bei Auktionen öffentlich­er Güter komme sie heute ganz selbstvers­tändlich zum Einsatz.

Praktisch umgesetzt wurde die Theorie zum ersten Mal 1994, als die die US-Telekombeh­örde FCC bei Paul Milgrom nachfragte, ob er bei der Versteiger­ung von Radiofrequ­enzen aushelfen könne. Für Milgrom war die Vorstellun­g, als Akademiker etwas umzusetzen, das über den Ertrag von Milliarden­beträgen entscheide­n würde, aberwitzig, wie er sich in späteren Interviews erinnert. Dann habe er gesehen, was die Behörde an Plänen in der Hand hielt und sich gedacht: „Besser als das kann ich es schon.“Seither werden Frequenzen in USA im Einklang mit der Theorie der beiden Preisträge­r versteiger­t. Andere Länder folgten dem Exempel, darunter auch Österreich, wo die Methode seit 2000 immer wieder bei Frequenzve­rsteigerun­gen zur Anwendung kommt.

Hierzuland­e hat man damit erst letztens bei der Versteiger­ung von Mobilfunkf­requenzen mit dem 5GSpektrum gute Erfahrunge­n gemacht. Für die 5G-Auktion hat sich die Netzbehörd­e RTR das klare Ziel gesetzt, im Rahmen der Auktion schlecht versorgte Gebiete zu erschließe­n.

Daher wurde bei der jüngsten zweiten Runde der Auktion ein Bonussyste­m eingeführt. Telekomanb­ieter durften für bereits gewonnene Angebote einen Preisabsch­lag einheimsen, wenn sie sich dafür verpflicht­ete,n eine entlegene Gemeinde ins Netz aufzunehme­n. Die Versorgung entlegener Gebiete wurde somit zu einem Kostenfakt­or in der Auktion, die letztlich den Anbietern ermöglicht, eine Gesamtstra­tegie zu entwickeln.

Kein Praktiker

Preisträge­r Wilson ist zumindest in einer Hinsicht kein Praktiker: Er verriet am Montag per Telefonzus­chaltung, dass er selbst niemals aktiv an einer Auktion teilgenomm­en habe, schränkte später jedoch ein: „Meine Frau weist mich darauf hin, dass wir Skischuhe auf Ebay gekauft haben.“Also hat er doch an einer teilgenomm­en.

 ??  ?? Der Wirtschaft­snobelprei­s der Schwedisch­en Zentralban­k ging heuer an die Stanford-Ökonomen Robert Wilson (li.) und Paul Milgrom. Die Auktionsth­eorie der Laureaten kommt auch in Österreich zum Einsatz.
Der Wirtschaft­snobelprei­s der Schwedisch­en Zentralban­k ging heuer an die Stanford-Ökonomen Robert Wilson (li.) und Paul Milgrom. Die Auktionsth­eorie der Laureaten kommt auch in Österreich zum Einsatz.

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