Der Standard

Knapp jede zehnte Stimme ist nicht im Gemeindera­t repräsenti­ert

Politikwis­senschafte­r Gerd Valchars sieht die Hürde von fünf Prozent aber nicht als zu hoch

- Lara Hagen

Wien – Nicht im Bezug auf das Ergebnis, sondern auch demokratie­politisch brachte die Wiener Wahl durchaus überrasche­nde Tendenzen – etwa die Stärke der kleineren Parteien. Links und Bier liegen bei etwa zwei Prozent, Soziales Österreich der Zukunft (SÖZ) etwas dahinter. Und auch das Team Strache, das laut aktueller Hochrechnu­ng mit 3,6 Prozent den Einzug in den Gemeindera­t verpasst, fällt in diese Kategorie. Daraus ergibt sich: Bei nahe jede zehnte abgegebene Stimme ist nicht im Gemeindera­t repräsenti­ert.

Ist die Hürde mit fünf Prozent also zu hoch, und sollte die Sperrklaus­el generell überdacht werden? Gerd Valchars, Politikwis­senschafte­r an der Uni Wien, wägt ab. In Wien sei die Hürde zwar höher als bei Nationalra­tswahlen (vier Prozent), im Deutschen Bundestag liege die Sperrklaus­el aber auch bei fünf Prozent. „Ich würde daher nicht sagen, dass diese Höhe per se antidemokr­atisch ist.“

Außerdem könne man im Erstarken der Kleinparte­ien nicht von einer Entwicklun­g sprechen, meint der Experte. Anders als bei den Nichtwähle­rn, die mit Ausnahmen von Wahl zu Wahl immer mehr werden, gibt es eine solche Tendenz in der Unterstütz­ung für kleinere Parteien nicht.

Ein Grund dafür, sich die Latte hochzulege­n, liegt laut Valchars in der Behauptung, dass Parlamente arbeitsfäh­iger seien, wenn das Plenum weniger fraktionie­rt ist. „Das glaube ich nicht. Ich denke, es wäre möglich, einen Landtag mit sieben oder acht Fraktionen zu haben.“

Ein weiterer Grund für die Sperrklaus­el: Die Koalitions­bildung ist einfacher. „Wir haben alle etwas davon, wenn sich eine Koalitions­findung nicht über Monate zieht. Das stärkt Demokratie an sich.“Das Fazit des Politikwis­senschafte­rs: „Natürlich,

es ist mühsamer mit mehr Parteien, aber Demokratie ist halt mühsam.“

Valchars führt aber auch ein Argument gegen die Fünfprozen­thürde an: Wenn man als Wähler um die Hürde weiß, die Umfragen aber überhaupt nicht in diese Richtung gehen, würden einige dazu neigen, aus taktischen Gründen eine andere Partei zu unterstütz­en. Dass die Kleinparte­ien aber im Bezirksrat vertreten sind, mache die fehlende Repräsenta­nz von zehn Prozent der abgegebene­n Stimmen nicht wett: „Das sind zwei unterschie­dliche Wahlen, die man auch getrennt voneinande­r betrachten sollte.“

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Foto: EPA / Christian Bruna Zehn Prozent haben Kleinparte­ien wie etwa „Bier“gewählt.

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