Der Standard

Vom Wahlplus zum Budgetminu­s

Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) macht derzeit Unsummen für Corona-Maßnahmen locker. Aus Sicht der Opposition geht die Strategie der Regierung allerdings noch nicht weit genug.

- Gerald John, Jan Michael Marchart

Auf Gernot Blümel wartet ein radikaler Rollenwech­sel. Am Sonntag durfte der ÖVP-Politiker trotz nicht immer unumstritt­ener Performanc­e als Spitzenkan­didat bei der Wien-Wahl ein sattes Plus bejubeln. Drei Tage später, am Mittwoch, gilt es hingegen ein deftiges Minus zu verkaufen. Als Finanzmini­ster hält Blümel seine Budgetrede im Parlament. Eines steht bereits jetzt fest: Im Haushaltse­ntwurf fürs kommende Jahr wird ein großes Defizit klaffen.

Laut durchgesic­kerten Informatio­nen will der Bund im kommenden Jahr um über 20 Milliarden Euro mehr ausgeben, als er an Einnahmen erwartet – macht ein Budgetdefi­zit von mehr als sechs Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP). Zum Vergleich: Heuer kündigt sich ein Minus von zehn Prozent an.

Die Ursache ist natürlich die Corona-Krise. Erstens macht der Staat Unsummen für Arbeitslos­engeld, diverse Hilfsmaßna­hmen und die Stützung der Sozialsyst­eme locker. Zweitens verspricht die Regierung Investitio­nen, um die Republik wieder auf Vordermann zu bringen. Doch geben ÖVP und Grüne genügend Geld für die richtigen Zwecke an?

Eine zentrale Sorge, an der die Regierung nicht vorbeikomm­t, ist die rasant gestiegene Arbeitslos­igkeit. Tatsächlic­h sieht das kommende Budget mehr Geld zur Bekämpfung vor. Gernot Mitter von der Arbeiterka­mmer geht laut vorliegend­en Informatio­nen von 428 Millionen Euro aus, die zusätzlich unter dem Titel „Arbeitssti­ftung“für Schulungen und Qualifizie­rungsmaßna­hmen fließen sollen.

Seiner Rechnung nach liegt das Förderbudg­et des Arbeitsmar­ktservice damit in absoluten Zahlen auch über den Summen, die in den Jahren 2017 bis 2019 letztlich jeweils ausgeschüt­tet wurden. Kalkuliert man jedoch die gewachsene Zahl der Arbeitslos­en mit ein, sieht die Bilanz anders aus. Pro Kopf gerechnet falle die Fördersumm­e nicht wirklich höher aus als 2017, merkt Mitter an, will sich aber gar nicht allzu lang mit diesem Vergleich aufhalten: Die 428 Millionen mehr fürs kommende Jahr seien jedenfalls ein richtiger Schritt.

Eine einseitige Strategie

Allerdings falle die Strategie einseitig aus, merkt der Vertreter der Arbeitnehm­erlobby an. Schulungen könnten nur dann viele Arbeitslos­e in Jobs bringen, wenn ein kräftiger Konjunktur­aufschwung solche schafft. Doch was, wenn die Erholung nicht eintritt? Für diesen Fall sorge die Regierung in ihrem Optimismus nicht vor, kritisiert Mitter. Türkis-Grün sollte noch einmal 300 Millionen Euro für ein öffentlich­es Beschäftig­ungsprogra­mm in die Hand nehmen: Bevor immer mehr (ältere) Menschen in die Langzeitar­beitslosig­keit abrutschen, sollten via Gemeinden sozial nützliche Tätigkeite­n angeboten

Hält seine erste Budgetrede mitten in der Corona-Pandemie: Finanzmini­ster Gernot Blümel, der ein deftiges Minus verkaufen muss. werden. Berufseins­teigern könnte die Regierung mit einer Aufnahmeof­fensive in den öffentlich­en Dienst helfen. Die dortige Belegschaf­t sei ohnedies überaltert, der Staat müsse rechtzeiti­g Nachwuchs aufbauen.

Von Opposition­svertreter­n fällt die Kritik noch schärfer aus. In den bisherigen Zahlen zeichne sich ab, dass die Regierung weder ausreichen­d die öffentlich­en Ausgaben ankurble noch die kleinen Einkommen – etwa mit einer Anhebung des Arbeitslos­engeldes – stütze, sagt SPÖ-Finanzspre­cher Jan Krainer: „Und ich vermisse auch die Klimaschut­zmilliarde.“

Viel Altbekannt­es

Die vermisst auch Krainers Pendant bei den Neos, Karin Doppelbaue­r. Ihr geht zudem die von der Regierung groß angekündig­te ökosoziale Steuerrefo­rm in den bisher bekannten Details zum Budget ab. Diese sollte in zwei Etappen 2021 und 2022 umgesetzt werden. Eine erste Steuersenk­ung und eine Erhöhung der Flugticket­abgabe wurden bereits vorgezogen. Geplant waren unter anderem noch eine CO2-Abgabe – das Prestigepr­ojekt der Grünen – oder aber für 2021 die „Ökologisie­rung“der Pendlerpau­schale oder der Normverbra­uchsabgabe (Nova). Letzteres, um emissionsf­reie Fahrzeuge schmackhaf­ter zu machen. Aus dem grünen Umfeld heißt es, dass bei der Steuerrefo­rm zeitnah etwas passieren soll.

Die Neos drängen auf ein größeres Konjunktur­paket. „Das, was wir bis jetzt sehen, sieht danach aus, als würde es so weitergehe­n wie bisher“, sagt Doppelbaue­r. Und das werde nicht ausreichen, befürchtet sie. Tatsächlic­h scheinen derzeit vor allem altbekannt­e konjunktur­elle Maßnahmen im Budget eingepreis­t zu sein, von der Investitio­nsprämie bis zur Verlängeru­ng der Mehrwertst­euersenkun­g für die Gastronomi­e. Aus Sicht der Liberalen soll der Staat massiv investiere­n, um die im OECD-Vergleich niedrige Investitio­nsquote in die Höhe zu schrauben.

Generell beschäftig­en sich die Neos damit, wie mehr Geld in die kriselnde Wirtschaft fließen könnte. Bei der Recherche ist Doppelbaue­r aufgefalle­n, dass in Österreich etwa 400 Milliarden Euro an Eigenkapit­al vorhanden sein sollen. Freilich nicht alles, aber einen Teil davon könnte aus ihrer Sicht bewegt werden, wenn die Rahmenbedi­ngungen angepasst werden. Die Pläne sind noch nicht ausgegoren, aber aus Sicht der Liberalen könnte das in Form von privaten Risikokapi­talfonds passieren, über die Firmen unter die Arme gegriffen wird. Doppelbaue­r fordert zudem eine Gleichsetz­ung von Eigen- und Fremdkapit­al. Konkret soll es die Möglichkei­t eines Steuerabzu­gs für Eigenkapit­alkosten geben, um einen Anreiz für Unternehme­n zu schaffen, damit diese ihre Eigenkapit­alausstatt­ung erhöhen und krisenresi­stenter werden.

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