Johnson verhängt weitere Covid-Einschränkungen
Ein dreistufiges Warnsystem soll die Pandemie eindämmen – Nordengland ist besonders betroffen
Von Mittwoch an müssen viele Millionen Engländer neue Corona-Einschränkungen in Kauf nehmen. Nach detaillierten Konsultationen mit regional zuständigen Politikern, vor allem im Norden des Landes, stellte der konservative Premierminister Boris Johnson am Montag im Unterhaus sowie abends im Fernsehen ein neues Maßnahmenpaket vor. Demnach müssen im Großraum Liverpool Pubs und Restaurants für mindestens vier Wochen schließen. Der Bevölkerung wird von unnötigen Kontakten und Reisen abgeraten.
Schon bisher gilt im ganzen Land Maskenpflicht in Geschäften, Bussen und Zügen sowie die sogenannte Sechserregel: Sowohl drinnen wie draußen sind Treffen lediglich mit fünf anderen Menschen erlaubt. Landesweit sollen aber Schulen und Universitäten von der Schließung ausgenommen bleiben. Die schottische Regionalregierung unter Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hatte bereits vergangene Woche sämtliche Gaststätten im bevölkerungsreichsten Teil des Landes mit den Metropolen Edinburgh und Glasgow für zunächst 16 Tage geschlossen. Dass Johnson für das viel größere England nachzieht, entspricht lautstarken Forderungen von Epidemiologen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache.
Verdoppelung der Zahlen
Einer großangelegten Studie des Statistikamts ONS zufolge infizierten sich in der vergangenen Woche rund 224.000 Menschen mit SarsCoV-2. In der Woche zuvor lag die Zahl bei rund 116.000. Die Labore des Landes meldeten zuletzt im Wochendurchschnitt täglich 14.391 Positivfälle. In der Woche bis Sonntagabend starben täglich durchschnittlich 68 Menschen an den Folgen einer Covid-Infektion. Insgesamt liegt die Zahl der Corona-Toten mittlerweile bei 42.825, was 630 Sterbefällen pro Million Einwohner entspricht (Österreich 95).
Hinter diesen ohnehin schon besorgniserregenden Zahlen verbergen sich erhebliche regionale Unterschiede. In der ersten Oktoberwoche verzeichnete das nordirische Derry 772 Neuinfektionen. Nottingham meldete 734, Liverpool 528 neue Fälle. In einer Anzahl von Regionen Nordenglands gibt es binnen einer Woche mehr als doppelt so viele Corona-Patienten.
Die Verantwortlichen ziehen mittlerweile Parallelen zur ersten Welle der Pandemie. In den Spitälern würden derzeit bereits mehr Covid-Patienten betreut als am 23. März, dem Tag des nationalen Lockdowns, teilte Professor Stephen Powis, Gesundheitsamtsleiter für England, am Montag mit. Gewiss hätten Ärzte und Pflegepersonal seither enorm dazugelernt, auch seien Alten- und Pflegeheime besser auf die Pandemie eingestellt. Das Land müsse aber neue Maßnahmen ergreifen, „sonst erleben wir im Winter eine viel zu hohe Sterberate“. Powis hat deshalb die Mobilisierung dreier Notfall-Hospitäler in Manchester, Sunderland und Harrogate angeordnet.
Umfragen zufolge unterstützt die Bevölkerung mit Dreiviertelmehrheit die bereits bisher geltenden Einschränkungen. Dazu gehört die Aufforderung an Angestellte, möglichst viel Arbeit im Homeoffice zu erledigen, sowie eine 14-tägige häusliche Quarantäne für Heimkehrer aus Risikogebieten. Zu diesen zählen beispielsweise Spanien, Frankreich und die Türkei, aber auch Österreich und die Schweiz.